Schöne Sicht...

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Aufruhr in der Einbahnstraße
Menschen stehen fassungslos rum
fragen sich weshalb, warum
die alte Dame das wohl tat
und die eigene Hand an sich legte
an einem so wunderschönen Tag
war Sie wirre
war Sie irre
oder gab es einen Dritten
der Ihr das einsame Leben nahm
Nein… Sie war noch gut beisammen
nur rechts das Bein es fehlte
steckte unbequem in einer Prothese
konnte nur schlecht laufen damit
so hockte Sie meist in ihrer alten Küche
Sie liebte diesen Blick
vom großen Fenster... raus aufs Feld
egal, ob Sonne oder Regen
die Aussicht war mehr Wert als Geld
oder Sie schleppte sich durchs Haus
nahm alle Plag mit in Kauf
so vergingen Ihre Tage
auf und ab
schwer und fade
doch jeden Morgen dann der Kick
als Ihr Feld erwachte im Licht
klopfte das Herz voller Wonne
wie satt doch waren all die Farben
von Grün bis Blau und leuchtend Gelb der Raps
bis hierher hatte Sie es geschafft
allmählich aber schwand die Kraft
Sie wusste es, spürte es
plante voraus
wollte in Frieden gehen
die Kinder würden vielleicht verstehen
der Sterbeort... Ihr hoher Sessel
Sie zerrte ihn zum Fenster hin
saß nun wie im Kino da
nur Eis und Popcorn gab es nicht
Sie nahm Tabletten… zur schönen Sicht.

Interne Verweise

Kommentare

31. Jul 2017

Sterben ist auch ein Menschenrecht -
Wenn der Mensch es wirklich möcht' ...

LG Axel

31. Jul 2017

Da denke ich genau wie Du…
doch das Thema ist bei vielen Tabu!

Liebe Grüße
Soléa

31. Jul 2017

So hat die alte Dame in Freiheit ihren Übergang wählen dürfen. Tröstlich. Das bedeutet Menschenwürde!

LG Monika

31. Jul 2017

In Freiheit, Würde und Frieden gehen zu dürfen, wünsche ich JEDEM, auch mir!

Viele liebe Grüße an Dich, Monika
Soléa

31. Jul 2017

Mir tut es trotzdem leid: Man sollte investieren:
mehr in die Wissenschaft und insbesondere Medizin ...
und neue Beine schaffen, die sich nicht im Schmerz verlieren,
das alte, böse Teil gehört in den Kamin!

Liebe Grüße,
Annelie

31. Jul 2017

Unabhängig von meinem Gedicht, liebe Annelie, möchte ich so viel zu der Prothese sagen dürfen, nämlich, das sie heute schon auf einem recht guten Stand sind. Doch kommt es sehr darauf an ob es eine Unter,- oder Oberschenkelamputation war, und wie alt die/der Betroffene ist. In der Regel kommt man mit einem „Beinteil“ unterhalb vom Knie besser zurecht, da man noch sein eigenes Kniegelenk hat und das ist zu allem Elend, Gold wert. Das hat mit Gleichgewicht und Bewegungsfreiheit zu tun und einem, vor allem, sicheren Gefühl. Bei einem Beinverlust bis Oberschenkel fehlt buchstäblich der Halt und die Sicherheit und wenn Du dann noch über sechzig bist, ist der Mensch oft auch ängstlicher. Zudem muss der Beinstumpf absolut korrekt in der Prothese sitzen, da darf nichts kneifen, nicht locker sitzen, sonst wird man Wund oder bekommt Verwachsungen. Für einen älteren Menschen, ob motiviert oder nicht, ist das eine Tortur und darum wird er trainiert und therapieret. Auch läuft sehr viel am Anfang alles über den Kopf… Fazit: Eine Prothese ersetzt nie ein eigenes Bein (Teil), bleibt aber ein annehmbarer Ersatz um, wenn man sie „beherrscht“, weiter am „aktiven“ Leben teilnehmen zu können.

Herzliche Grüße
Soléa

31. Jul 2017

Danke, liebe Soléa, für diese Informationen. Trotzdem wird meines Erachtens zu wenig in die Wissenschaft investiert. Zum Beispiel leiden heutzutage,sehr, sehr viele Arbeitnehmer an Schlafstörungen (das hat auch etwas mit dem Arbeitsklima zu tun) und ist nicht allein für die Betroffenen gefährlich, sondern auch für sekundär beteiligte Menschen (z.B. in Transportmitteln). Ich meine, es wird soviel erfunden, weshalb nicht auch viel, viel bessere Prothesen für ein angenehmeres Leben. - Ich respektiere die Entscheidung deiner alten Dame selbstverständlich; aber sie hat Kinder - die sie offenbar nicht annähernd so lieb gehabt haben, wie sie nötig gehabt hätte - anderenfalls hätte sie sich nicht freiwillig von ihnen getrennt.

Liebe Grüße,
Annelie

31. Jul 2017

Liebe Annelie, in Bezug auf „aber sie hat Kinder - die sie offenbar nicht annähernd so lieb gehabt haben, wie sie nötig gehabt hätte - anderenfalls hätte sie sich nicht freiwillig von ihnen getrennt“ teile ich Deine Meinung nicht. Viele erwachsene Kinder,davon Heute wahrscheinlich mehr als Früher sind nicht selten in „aller Welt“ verteilt. Da ist das gegenseitige Versorgen und aufeinander Achten nicht mehr gegeben. Und wenn ich mich in „meine“ Dame versetzte, denke ich schon, dass ich das für mich mal, selbstbestimmt, um nicht zu sagen egoistisch entscheiden möchte, wie, wo und wann ich sterben. Mein Leben wurde mir einst geschenkt, danach gehört es mir, inklusive Tod. Das hat für mich, ab einem gewissen Punkt, nichts mehr mit lieben und geliebt werden zu tun, nur mit Respekt und loslassen. Wie erwähnt, das ist meine Meinung dazu.

Liebe Grüße in Deinen Abend
Soléa

01. Aug 2017

Liebe Soléa, ich habe doch geschrieben, dass ich die Entscheidung deiner alten Dame respektiere. Aber ich darf es doch zumindest rein hypothetisch schade finden, wenn sich jemand das Leben nimmt. Das musst du mir schon zugestehen. Ich hatte solche Schmerzen (Amputationsschmerzen und möglicherweise auch Phantomschmerzen) noch nicht und stelle sie mir schrecklich vor. Eine Alternative wäre ein Rollstuhl gewesen - und eine wunderbare Nachbarschaftshilfe, an der ich mich beteiligt hätte.

Liebe Grüße,
Annelie