Trauma einer Maus

Bild von Anneliese Haas
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In meiner Jugend, vor ein paar Wochen,
ist etwas Fürchterliches gescheh'n.
Ich hab' noch mit keinem darüber gesprochen …
Ich konnte nicht. Sie werden versteh'n.

Als Maus muss man immer um 's Dasein bangen.
Ich war auch an jenem Tag auf der Hut.
Trotzdem hat mich eine Katze gefangen,
ein Scheusal, gierig nach meinem Blut.

Sie hat mich nicht auf der Stelle gefressen -
sonst, liebe Leute, säß' ich nicht hier.
Katzen haben besond're Interessen:
Sie ließ mich springen und spielte mit mir.

Sie hörte nicht auf, mich herumzuhetzen
und gönnte mir keinen Augenblick Ruh'.
Da kroch ich, schon krank vor Angst und Entsetzen,
in einen alten Gummischuh.

Hier drinnen saß ich schlotternd gefangen,
während mein armes Herz fast zersprang.
Die Katze bemühte sich, mich zu erlangen,
was in dem engen Schuh nicht gelang.

Nach ein paar Stunden – oder waren es Jahre? -
schlüpfte ich zitternd aus meinem Versteck.
Es sträubten sich mir die Schnurrbarthaare -
aber die Bestie, die Katze, war weg!

So bin ich denn nach Hause gekrochen.
Noch heute verfolgt mich im Traume der Kater.
Ich hab' noch mit keinem darüber gesprochen,
doch nächstens geh' ich zum Psychiater.

Veröffentlicht / Quelle: 
Mein Gedicht war am 05.03.2016 im Straubinger Tagblatt veröffentlicht worden.
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Rezitation:

Rezitation: Von der Verfasserin wurde der Text gelesen am 11.11.2020.