Ein altes Sprichwort kommt mir in den Sinn,
daß Tod und Liebe, wunderbar verbunden,
ihr Spiel betreiben seit dem Anbeginn
der Welt. Die Liebe heiligt Todesstunden
mit ihrem Trost, doch die Beharrlichkeit,
die sie verspricht, ist nur von kurzer Dauer.
Der Tod, der nichts verspricht, verschlingt die Zeit
und weiht die Liebe mit dem Kelch der Trauer.
Was Liebeslust erweckt, muß sterblich sein,
sonst könnt' es niemals sich mit mir vereinen;
und bliebe nicht von beiden eins allein,
es würde niemand um die Liebe weinen.
Um Götter weint man nicht, der Todesschmerz
beglaubigt erst ein liebesschweres Herz.
Ist es die Liebe, die den Tod verklärt,
indem sie ihn entwaffnet und verneint,
oder ist das Verhältnis umgekehrt;
er, der die Liebenden in sich vereint?
Sie adelt tierisch übermächtige Triebe
mit Schönheitssinn und edler Geistigkeit;
er läßt Verzweiflung los und drängt die Liebe
zur Andacht vor dem Thron der Ewigkeit.
Nur er erlöst die Schöpfung mit der Taufe
im rücksichtslosen Strom der Sterblichkeit,
verpfändet mich, auf daß ich Freiheit kaufe,
vertreibt die Sorge, endet Müdigkeit.
Nur sie erhält die Schöpfung mit der Wonne
der allerinnigsten Verbundenheit;
erblüht im Licht der auferstandnen Sonne,
verjagt die Schatten der Trübseligkeit.
Sie ist die Zauberin, die aus der Menge
der Laute schöpft die Harmonie der Klänge;
er schlägt den Takt zur Symphonie des Lebens,
das uns beglückt und quält, bis es vergebens
im Herzen ruft: "Oh, daß es uns noch bliebe,
das schmerzbeseligende Spiel der Liebe!"
LIEBE UND TOD - an Leonie -
von Erich Vio
Gedichtform:
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