Neue Zirkusspiele

Bild von Franz Lichtenstein s.A.
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Das Zelt ist hochgespannt und weit,
das Zirkuszelt der neuen Zeit.

Hoch oben ist das Seil gestrafft,
tief unter ihm die Tiefe klafft.

Auf so gefahrvoll schmalem Pfad
nimmt seinen Weg der Akrobat.

Wie Schritt um Schritt zurück er legt,
da pötzlich wird das Seil bewegt,

gelenkt von unsichtbarer Hand.
Die Menge starrt verzückt, gebannt

zum Kuppelraum im grellen Licht -
Wahrt oben der das Gleichgewicht?

Sagt ihm untrüglich der Instinkt,
in welche Richtung es jetzt schwingt?

Weicht er vom Seil nur eine Spur
nach links, nach rechts ab, - schwankt er nur?

Er balanciert, er gleitet, fällt
da ist kein Netz mehr, das ihn hält.

Stille der Spannung - tragbar kaum -
dann dröhnt der Jubel durch den Raum.

Und wieder wird von Wand zu Wand
hoch über uns das Netz gespannt.

Und wieder, wie in alter Zeit
die Opfer sind zum Gruß bereit.

Es grüssen, die dem Tod geweiht,
den Herrscher dieser Neuen Zeit.

Doch der dankt nicht. Er nimmt nicht teil.
Er lächelt nur. Es schwingt das Seil...

Gedichtform: 

Rezitation:

Rezitation: Sprecher, Musik und Aufnahme: Jürgen Wagner