Die wahre Philosophie der Geschichte

Bild von Arthur Schopenhauer
Bibliothek

Die wahre Philosophie der Geschichte besteht
nämlich in der Einsicht, dass man, bei allen diesen
endlosen Veränderungen und ihrem Wirrwarr, doch
stets nur dasselbe, gleiche und unwandelbare Wesen
vor sich hat, welches heute dasselbe treibt, wie ge-
stern und immerdar: sie soll also das Identische in
allen Vorgängen, der alten wie der neuen Zeit, des
Orients wie des Okzidents, erkennen, und, trotz aller
Verschiedenheit der speziellen Umstände, des Kostü-
mes und der Sitten, überall dieselbe Menschheit er-
blicken. Dies Identische und unter allem Wechsel Be-
harrende besteht in den Grundeigenschaften des
menschlichen Herzens und Kopfes, - vielen schlech-
ten, wenigen guten. Die Devise der Geschichte über-
haupt müßte lauten: Eadem, sed aliter. Hat Einer den
Herodot gelesen, so hat er, in philosophischer Ab-
sicht, schon genug Geschichte studiert. Denn da steht
schon alles, was die folgende Weltgeschichte aus-
macht: das Treiben, Tun, Leiden und Schicksal des
Menschengeschlechts, wie es aus den besagten Eigen-
schaften und dem physischen Erdenlose hervorgeht. -

Veröffentlicht / Quelle: 
Die Welt als Wille und Vorstellung