Auf der Suche nach Wahrheit

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von Marie Mehrfeld

Die Wahrhaftigkeit der Kunst liegt im Rembrandtbildnis der Saskia van Uylenburgh, das in der Gemäldegalerie Alte Kunst in Kassel hängt, behauptet sie. Er macht sich nichts aus Rembrandt, findet seine Wahrheit in den satten Farbfeldern des Mark Rothko, dem amerikanischer Maler des Abstrakten Expressionismus. Die Wände seiner Wohnung sind mit dessen Plakaten gepflastert, ein Original kann er sich nicht leisten. Sie streiten sich heftig über ihre Wahrheiten. Wer von beiden sie gepachtet?
Gibt es eine verbindliche Wahrheit, auf die sich alle Menschen einigen könnten? Kann man als Anhänger einer spirituellen oder weltanschaulichen Strömung von sich behaupten, im Besitz der Wahrheit zu sein? Muss wahr sein, was wir glauben? Für welche Wahrheit stehe ich, stehst du mit Haut und Haaren ein? Setze ich mich, setzt du dich wahrhaftig und aktiv für den Frieden ein, nur zum Beispiel? Für ein einiges Europa? Nehme ich, nimmst du dafür an Demonstrationen teil? Halte ich mich bei Diskussionen über Wahrheit nicht zurück, weil ich mir meiner Wahrheiten nicht sicher bin? Sind die computergesteuerten Vorhersagen über die Zukunft unserer Erde, ist die Simulation der Welt wahrhaftig? Bist du der Meinung, dass die Presse und „die da oben“ uns immer die Wahrheit sagen oder zeigen? Haben „sie“ unter gewissen Umständen nicht die Pflicht, sie zu zensieren? Etwa um Panik zu verhindern? Oder wenn die Wahrheit der Bilder unerträglich grausam ist? Ist Wahrheit Übereinstimmung gedanklicher Vorstellungen mit der Wirklichkeit? Muss sich Wahrheit der Sache anpassen? Ergibt sich die Wahrheit daraus, dass möglichst viele Leute mit einer Meinung oder Vermutung übereinstimmen, wie Aristoteles lehrte? Wäre dieses Denken nicht die Basis von Fake News? Einer schreit bewusst gefälschte Wahrheiten via Twitter in die Welt, und Millionen lesen es und halten es für wahr? Verbreiten es weiter, vergiften das zwischenmenschliche Klima mit verfälschter Wahrheit? Kann das Verschweigen der Wahrheit nicht barmherzig sein? Liegt die Wahrheit im Wein? Sagen Kinder und Narren die Wahrheit? Kennst du einen Menschen, der immer die Wahrheit sagt? Liebt deine Eitelkeit die Wahrheit? Kommt die Wahrheit immer ans Licht? Legt erst der Tod die Wahrheit offen? Heiligt der Zweck die Mittel, wenn man die Wahrheit durch Foltern oder die Gabe einer chemischen Wahrheitsdroge erpresst? Ist Wahrheit nicht die unbedingte Notwendigkeit sozialen Zusammenlebens? Die Kraft ehrlicher Liebe? Hat die Wahrheit nicht mehr Facetten als ein Brillant? Ist es wahr, dass es keine absolute Wahrheit gibt?
Selbst du kannst meine Fragen nicht wahrhaftig beantworten, das weiß ich. Aber stellen musste ich sie, unbedingt.

Der Satz “Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen,” stammt von Georg Christoph Lichtenberg, der 1742 in Darmstadt geboren wurde und 1799 in Göttingen starb. Er war Mathematiker und der erste deutsche Professor für Experimentalphysik im Zeitalter der Aufklärung.

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