Die ganz andere Umfrage

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von Alf Glocker

Um etwas Abwechslung in den Umfragendschungel zu bringen haben wir, nein, nicht gefragt welche Parteien demnächst in die Regierung gewählt werden würden, wenn morgen Wahltag wäre – das werden, laut getürkten Ergebnissen, sowieso immer nur die, welche bereits an der Macht SIND. Das haben wir zur Genüge gehört, gesehen, probiert und für lächerlich befunden ... oder sagen wir: Die Ergebnisse lassen nicht unbedingt einen gewissen Humor vermissen, ob er nun schwarz, rot, oder grün ist.

Wir sind vielmehr den tiefsten Bedürfnissen der Bürger gefolgt und deshalb haben wir uns danach erkundigt, was sie, was der einzelne Bürger, täte, wenn er selbst an die Macht hinauf gefälscht würde. „Was würden sie zuerst machen, wenn sie König von Deutschland, Kaiser von Europa, oder Oberstaatsratsvorsitzender der ganzen Welt würden?“

Die meisten haben natürlich zuerst einmal verdutzt aus der Wäsche geguckt, sich dann aber sehr gefreut, daß sie sich über so etwas Schwieriges auch einmal Gedenken machen dürfen. Es dauerte dem zufolge nicht lange, bis die Antworten reichlich sprudelten. Einer meinte, er würde sofort ein riesengroßes Loch graben und dort alle Wertgegenstände, die er vorher einziehen lassen würde, verscharren, damit er sie in seinem nächsten Leben als Elster wieder ausbuddeln könne.

Der nächste wollte sich als Waschbär verkleiden und alle Leute verhaften lassen, die in seinen Augen schmutzig seien, damit er sie umgehend selber, nach eigenem Gutdünken, reinwaschen dürfe. Ein Weiterer würde sich sofort zum obersten Himmelsrichter ernennen und ein neues Gesetzbuch schreiben, das er von Gott eingesagt bekäme, wenn man ihn nur erst einmal ernst nähme.

Ein anderer würde nur noch die Reichen besteuern, und das ganze Geld den Armen geben. Er erläuterte das allerdings folgendermaßen: „Die wirklich Reichen sind die arbeitende Bevölkerung. Die hat das meiste Geld!" Unternehmer, Arme und Hilfsbedürftige könnten nicht frei über ihre Mittel verfügen, weil die bei den einen gar nicht vorhanden seien und bei den anderen sofort reinvestiert werden müssten, damit die arbeitende Bevölkerung auch wirklich arbeiten könne.

Der Nächste (den man lieben sollte wie sich selbst) vertrat die Anschauung, daß er seine Minister und sämtliche oberste Beamte aus Mafiakreisen rekrutieren wolle, da diese Herrschaften wenigstens ein fundiertes Fachwissen in allen Verwaltungsbereichen vorzuweisen hätten. Er sei, so sagte er, nicht für halbe Sachen und würde deshalb gleich Voraussetzungen schaffen, die nicht lang und breit interpretiert werden müssten, sondern von vornherein Hand und Fuß hätten.

Wir hörten noch eine Vielzahl von Meinungen und kamen – nach einem langen, desillusionierenden Tag – zu dem Schluss, daß beinahe alle Befragten eines gemeinsam hatten: Sie waren völlig orientierungslos! Von da an hatten wir verstanden, warum die regulären Umfrageergebnisse samt und sonders getürkt sind: Man ist sich in Regierungskreisen der Tatsache bewusst, daß ohnehin nirgendwo etwas echt Sinnvolles erreicht werden kann und man sich deshalb getrost mit den herkömmlichen Intrigen und der Selbstbereicherung befassen könne, was ja bisher immer schon als gang und gäbe angesehen wurde. Weitere Meinungsumfragen erübrigten sich somit für uns in Zukunft ... Bemühungen, die in einer Farce enden, scheinen uns nicht mehr interessant!

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