Es ist schon rührend, wenn man mit ansieht, wie gottgefällig der Mensch seinem Untergang beiwohnt. Er ist ein Schaf! Ob schwarz, ob weiß, er lässt sich treiben. Wo er auch hin soll, er geht! Mit Freuden sogar! Und dabei findet er, mehr als spielerisch, die schönsten Erklärungen für seine Misere, die niemals eine ist.
Die Regeln für das Spiel "Wie-geh-ich-am-angenehmsten-unter" sind einfach! Die 1. lautet: Alle bedeutenden Menschen sind tot und jetzt sind alle gleich. Die 2. Regel: Man kann nichts voraussehen und diejenigen welche etwas vorausgesehen haben, die haben sich getäuscht und wenn jetzt einer etwas voraussehen kann, dann lügt er. Die 3. Regel: Es ist noch niemals etwas eingetreten, was jemand vorausgesehen hat – außer er ist schon lange tot. Die 4. Regel: Alle Geschichten von Menschen, die bereits einmal etwas vorausgesehen haben sind Märchen. Die 5. Regel: Sollten ihre Voraussagen etwas mit der Zeit zu tun haben in der "wir" (wer das auch immer ist) leben, sind verboten – besonders dann, wenn Ähnlichkeiten mit dem tatsächlichen Ablauf der Geschichte erkennbar sind. Und die 6. Regel: "Man" kann gar nichts voraussehen – weder mit Denken, noch durch Intuition.
Erlaubt ist dagegen zu behaupten, daß uns nichts passieren kann, weil immer alles gut wird. Wir täuschen uns, wenn wir aus Versehen, einem Miesmacher recht geben, der behauptet, daß nur das Gute gut und das Schlechte nicht gut ist. Jemand, der behauptet, es könne das eine oder andere nicht gut oder sogar besorgniserregend sein, ist ein Pessimist, während einer, der sagt, daß alles gut ist, wird und bleibt, egal was passiert, ein Optimist ist. Denn es ist ausgesprochen unwichtig, ob ich einen Sachverhalt, eine Entwicklung durchschaue, ich sie mir also bewusst mache und dann urteile, weil ohnehin alles gut wird. Wichtig ist es eben nur, optimistisch dabei zu bleiben. Irgendwann wird es dann schon werden, was nicht ist, oder was wir wollen.
Aber was wollen wir überhaupt? Klar: wir wollen optimistisch bleiben. Was wir damit anrichten, wollen wir nicht sehen, nicht hören, nicht sagen. Wir wollen leben, essen, trinken, Kinder kriegen, oder auch nicht, oder uns von denen vernichten lassen, die darüber hinaus noch weit mehr wollen. Sich rücksichtslos verbreiten zum Beispiel. Aber das ist schon wieder Miesmacherei, Pessimismus – es ist quasi demnach nicht existent. Denn in Wirklichkeit passiert ja gar nichts! Und sollte doch etwas passieren/passiert sein, dann kann man da auch nichts machen ... sich nichts bewusst (weil "man" vom dem gar nichts zu wissen braucht, was ohnehin passiert, weil immer alles gut wird), sich nichts vor, denn was man sieht (sehen will) ist doch die Wahrheit ... nicht wahr?!
Was soll es denn sonst sein?! Wir sind am Leben, wir essen und trinken, wir kriegen Kinder oder auch nicht, je nachdem, und wenn wir keine kriegen, dann kriegt sie eben jemand anderer, egal wer, weil ja alle gleich sind, weil uns alles gleich ist, und weil man sich nichts bewusst machen muss, weil man sonst Probleme bekommt und pessimistisch ist, weil das eben so ist wie es ist, und so weiter.
Also können wir doch froh sein, daß nie was passiert, uns nie was passiert, egal was passiert, daß wir alle gleich und daß die, die was vorausgesehen haben schon tot sind (Gott sei Dank), oder grad eben verboten werden müssen, weil etwas nicht stimmt, wenn was stimmt, überein und darüber hinweg, bzw. unten durch. Warum warten denn nicht einfach in aller Ruhe mal kurz 250 000 Jahre ab, bis alles gut wird? Dann ist es doch jetzt auch schon gut. Da müssen wir uns wirklich nicht sofort in alles einmischen, was für uns, von niemandem geplant ist, um nicht besorgniserregend zu sein. Wenn die Zeit kommt, dann kommt auch der Rat, aber jetzt ist halt keine Zeit für den guten Rat – denn der ergibt sich von selbst, wenn wir optimistisch bleiben.
Das ist eigentlich so lächerlich, daß es schon wieder ernst ist, oder so ernst, daß es schon wieder lächerlich ist. Nein, zum Totlachen ist es! Wer so viel Humor hat, der darf beglückwünscht werden, denn er/ sie ist ein Held/eine Heldin, an dieser unsichtbaren Front verzweifelter Hingabe an ein Leben, das – um Gottes Willen – nicht verstanden werden darf, weil sonst, weil sonst, weil sonst, ja warum eigentlich ...?