Eilmeldung aus der imaginären Presse

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

Hilfe, jetzt ist es endlich raus – aber keiner weiß, was wir da tun sollen ... Europa ist zu einer unsicheren Region erklärt worden. Die Anzahl der terroristischen Anschläge ist ebenso hoch wie in den Gebieten, aus denen bisher die Menschen geflohen sind. Wir müssen uns unbedingt etwas ausdenken, damit das nicht bekannt wird!

Europa braucht doch die Zuwanderung aus den Armuts- und Krisengebieten der Welt – wer soll denn sonst in Zukunft hier die Steuern bezahlen? Die unverhohlene Angst geht um, nicht, daß einem in Europa mehr passieren kann als anderswo, es kann einem ja auch einfach beim Spaziergang ein Dachziegel auf den Kopf fallen, nein, es ist die Angst, daß man Europa nicht als Paradies anpreisen kann.

Bisher ging es uns in diesem Europa so gut, daß man sich gar nicht vorstellen konnte, hier nicht wohnen zu wollen, aber nachdem die Europäer nun selbst unberechenbar und gewalttätig geworden sind, muss man wohl daran zweifeln, daß dieser Zustand jemals wiederhergestellt werden kann ...

Überall verüben Europäer Terroranschläge ... sie stoßen unschuldige Passanten über die Treppen von U-Bahn- Tunnels, sie kutschieren Lastwagen in Weihnachtsmärkte, sie sprengen Menschen in die Luft, wo sie nur können – kurz, sie beweisen täglich, wie weit die Verrohung der Gesellschaft in Europa schon fortgeschritten ist.

Wir müssen einfach mehr für unser Image tun! Aber nachdem sich Fachleute bereits dafür ausgesprochen haben, Anschläge gar nicht mehr in den Nachrichten zu bringen, ist es möglich, wieder ein wenig aufzuatmen. Man stelle sich vor, das einschlägige Ausland würde mitbekommen, was bei uns los ist, dann würde sich die verarmte oder terrorisierte Menschheit ja von uns abwenden. Das wäre nicht mehr und nicht weniger als eine Katastrophe!

Es muss die ehrenvolle Aufgabe der Politiker sein, zu sagen, daß hier in Europa alles seinen gewohnten Gang geht und der Eindruck einer SCHEINBAREN Verrohung der früher so friedlichen Gesellschaft lediglich durch äußert selten vorkommende Irre erweckt wird. In Europa ist es nach wie vor nahezu unmöglich, durch einen terroristischen Anschlag ums Leben zu kommen!

Vielmehr müsse die Wahrscheinlichkeit hervorgehoben werden, daß hier der Straßenverkehr die meisten Opfer fordere und nicht etwa die neuen Bräuche einer neuen Bevölkerung. Wer unbeirrt an das Glück glaube, dem könne heutzutage ebenso wenig geschehen wir vor 40 Jahren! Außerdem haben wir immer noch – naja, vorläufig jedenfalls – geltende Gesetze, die unter anderem terroristische Anschläge verbieten.

Wir brauchen doch nur das Gesicht zu wahren – mehr nicht! Machen wir ehrwürdige Mienen zum ganz normalen Spiel ... einem Spiel welches eben in Zukunft mehr unglaubliche Ereignisse einschließen wird als bisher. Dann dürfen wir uns auch mit größter Zuversicht einer Epoche hingeben, die bisher noch ungewohnte und erfrischend grausame Ergebnisse zeitigen wird.

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