Eine Ode auf Miss Mutig (aus Steins Feder)

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

O du Gerechte, o du Allwissende, was die Gerechtigkeit betrifft – nur du allein kannst Ordnung halten. Deshalb machst du auch immer so ein „besorgtes“ Gesicht, das manche für missmutig halten könnten, wüssten sie nicht, was ich weiß! Während ich unnütze Gedichte schreibe und hässliche Bilder male, machst du die ganz wichtigen Dinge des Lebens. Du bist mein Engel! Nein, kein Racheengel, und auch keiner mit dem Flammenschwert, der mich aus dem Paradies vertreibt, weil ich versucht habe, vom Baum der Erkenntnis zu essen – da bist du mir schon zuvorgekommen – sondern der reinste Engel der angewandten Vernunft.

Ich Esel, du Gott, ich Elender, du Prächtige! Ich beuge mich vor deinem Zorn, der niemals unbegründet ist, weil du allein (deine Freundinnen ausgenommen) weißt, wie die Welt funktioniert. Ich bitte dich um Verzeihung, dafür, daß ich jemals an deinen Ratschlüssen gezweifelt habe, die samt und absonderlichst, von den „offiziellen Stellen inspiriert sind. Du bist dir deiner Sache sicher und vermutest nicht nur was geschieht, nein, du bist bestens informiert und kannst somit deine Arbeit (auch an mir), nach bestem Wissen und Gewissen, verrichten. Ohne dich bricht alles zusammen! Ich wage es nicht, an dir zu zweifeln.

Denn sonst wirst du ungehalten wie ein wildgewordener Stier, du schnaubst und stampfst auf den Boden, du wirbelst den Sand auf in der Arena. Und ich bin kein Torero! Ich ertrage es nicht, wenn du leidest. Ich halte dir zwar andauernd ein rotes Tuch vor die Stirn und ich lasse dein gesamtes Verantwortungsgefühl für mich, an mir vorbei, ins Leere laufen, aber ich stoße dir meinen Degen nicht ins Herz … und auch sonst nirgends hin, selbst wenn du das möchtest. Denn mein Degen wird schlaff, wenn du ihn nur ansiehst, in deinem fortwährenden Hass auf mich und das ganz absolut unordentliche Leben, wo leider überhaupt nichts so funktionieren will, wie du möchtest! Dabei bist du der beste Mensch der Welt, zumindest mit.

Deine Bildung lässt nie zu wünschen übrig – sie ist genau so groß, wie du sie brauchst und so umfassend wie ein Haushaltsplan, der mehrmals durchgerechnet wurde … von dir natürlich. Was du nicht weißt, das macht dich nicht heiß … außer es glaubt jemand anderer zu wissen, der aber wiederum nichts wissen kann, was falsch ist. Und alles, was du nicht wissen willst, ist falsch! Daran führt kein Weg vorbei: Der Gerechte muss sich nicht ändern, er wandelt bereits auf dem Pfad der Tugend! Und wenn das einmal nicht sehr danach aussieht, dann hat das seinen triftigen Grund. Dann bist du halt „konsequent“ gewesen und musst wem etwas heimzahlen, das er an dir verbrochen hat. Du musst dich nicht einfühlen, du bist das Gefühl!

Und auch das lässt sich messen, auf einer Skala von „übertrieben romantisch“, über „sexuell zu phantasievoll“, bis hin zu „absolut ignorant, was deine Reize betrifft“. Ob du Frau sein möchtest, oder ein praktisches Rechenbeispiel, das ist nicht wichtig! Wichtig ist, daß deine Person, im vollen Umfang ihrer pragmatischen – weil umfassend informierten – Herrlichkeit, die offiziell „Bescheidenheit“ genannt werden muss, existiert. Dies zu erfühlen sei Aufgabe für alle hinter deiner Bescheidenheit weit zurückgebliebenen Ignoranten, aus deren überwältigender Masse nur gelegentlich einer heraussticht, der alles was du bist oder nicht bist, was du kannst oder nicht kannst, zu würdigen weiß. Ich, Stein, gehöre nicht dazu.

Ich gebe dir Gelegenheit, daß du zu mir aufblicken kannst, wie man zu einem Mann aufzublicken zu können hat, wenn er einer ist, indem ich zu dir aufblicke, wie zu einem Zufallsgott, der weise über mein Schicksal entscheidet und alles um Klassen besser beurteilen kann als ich selbst, da es mir einfach nicht gelingt, nein, einfach nicht gelingen kann, dir, deinem Rang (der Vollinformierten) gerecht zu werden. So lass mich denn ungerecht sein, damit du mich hassen kannst, indem du mich liebst … und insgeheim (niemals zugegeben) alles verabscheust und zutiefst verachtest, was ich bin und erstrebe. Du bist anders als ich, anders als ich je gedacht habe, daß eine Frau oder dergleichen sein kann, ja, sogar anders als alle, die so sind wie du, oder eben nur glauben, geistig mit dir verwandt zu sein. Du hast ihnen den verdienten Rest gegeben, in deiner Ehrlichkeit.

Du vermagst es niemals, jemanden zu täuschen! Eher geht die Welt im Osten unter und im Westen nicht wieder auf. Eher verschließen sich die Tore der Hölle, damit alles, was dahinter ist, so himmlisch erscheint wie das Paradies, welches du dir erdacht haben könntest … wäre nur genug Vorstellungskraft vorhanden. Dafür erlebst du deine Halluzinationen wie Zwangsvorstellungen des geistlich konstruierten Guten – was dich in die überaus glückliche Lage (wärst du jemals wirklich glücklich gewesen) versetzt, an einen Zustand zu glauben, den du dir eventuell erträumt haben könntest, hättest du dich jemals gekannt. Träum weiter, mein Schatz, bleib dir treu (wenn du es mir schon nicht bleibst) und versuche für dich einen Weg zu finden, der wenigstens für dich logisch erscheint. Dann widme dich mir …

Veröffentlicht / Quelle: 
auf anderen webs.
Prosa in Kategorie: