Scheine

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von Alf Glocker

Es gibt Geldscheine, Heiligenscheine, Anscheine, Jagdscheine und Jagdscheine, Freifahrtscheine und Sonnen-, Mond- und Sternenscheine. Natürlich aber auch Scheinchen, wie z. B. das sprichwörtliche Sonnenscheinchen. Man kann sich gegenseitig Geldscheine geben, aber auch Anscheine; man kann sich Jagdscheine besorgen, oder sich einen Heiligenschein verpassen (lassen). Aber man kann sich auch im Mondschein begegnen … das ist am schönsten.

Generell aber lässt sich sagen: Wir brauchen den Schein! Keine Regierung, kein Träger von Amt oder Würden (außer der T-Träger), kann ohne jeden Schein existieren, denn alles was scheinbar ist, ist Wirklichkeit! Denn niemand ist scheinbar schön, als Frau, und scheinbar reich als Mann. Beides sind Zahlungsmittel, deren Anscheine sich auszahlen. Wer einen Anschein besitzt, der gilt auch als klug. Und: Hast du Schein, dann bist du wer! Also – her mit dem Schein!

Einen Anschein zu erwerben ist ebenso schwer wie es leicht ist. Wer sich gut einen geben kann, bekommt schnell einen dazu, während manche, die das Spiel um den Schein ernst nehmen, ein ganzes Leben mit seinem Erwerb beschäftigt sind. Scheinbar ist ein Schein, egal welcher Prägung, die Grundlage allen Seins, das ja bekanntlich – wie der Volksmund schon sagt – sowieso mehr Schein als es alles andere ist. Aus diesem Grund machen wir Scheinversprechungen.

Wir versprechen uns den Schein zu wahren, wo es nur geht. Und es geht nicht immer. Oft ist etwas auch viel zu fadenscheinig, als es überhaupt anerkannt werden kann. Dann muss schleunigst der Schein verstärkt werden! Von allen Seiten aus dem Staatsapparat eilen die Schein-Werfer herbei, obwohl sie im Glashaus sitzen und Gefahr laufen, enttarnt und hinwegrevolutioniert zu werden, rotten sie sich zu, scheinhalber Ehrlichkeit verströmenden Scheinheiligen zusammen.

Sie beteuern: Wir schwören den Schein zu lieben und zu ehren, so wahr mir scheinbar Gott helfe. Dem Volk kommen, bei so viel Scheintreiberei die Erfolgstränen – und es reiht sich freudig ein, um des Kaisers neue Kleider zu bewundern, die ihm ein kundiger Werbeschneider angefertigt hat. So gelingt es nahezu jedem unauffällig, innerhalb aller Scheingrenzen zu bleiben und den Schein-Anstand immer dort zu wahren, wo man eigentlich mehr als das bräuchte.

Doch im Widerschein der Macht, die für gewöhnlich nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich, real und oft auch blutig ausgeübt wird, fühlt sich der Scheindemokrat am wohlsten. Weiß er doch, aus langjähriger Erfahrung, daß der bloße Schein immer noch besser ist als eine nackte Wahrheit, die man nur dann lieben darf, wenn man sie im eigenen Verlies verbergen kann. Scheinergebnisse aus Scheinumfragen, sowie selbst gefälschte Statistiken, stärken den Schein, wo er nur vorkommt.

Der teuerste aller Wertgegenstände ist immer schon der Glorienschein gewesen. Mit ihm umgeben sich die zum Schein, die scheinbar menschliche Werte bewahren, die sie in Wirklichkeit (ohne Schein) nichts als nur zerstören möchten. Wahr-scheinlich ist das der Lauf der Welt! Jeder versucht so groß zu er-scheinen, wie er nur kann! Scheinhalber scheingroß – das ist erstrebenswert. Davon lassen sich ganze Staatshaushalte bestreiten … zum Schein versteht sich.

Um zwischendurch den Schein auch einmal von der Wirklichkeit zu unterscheiden – sei das nun verboten, oder nicht – versuchen wir, durch ganz einfache Wortverdrehung, einen Schein bloßzustellen: den Geld-Schein. Beim Geldschein wird deutlich, was auf viele Phänomene im Bereich des Scheins, der Vortäuschung falscher Tatsachen also, zutrifft. Ein Geldschein ist nichts weiter als Scheingeld! Er ist nur bedrucktes Papier und eigentlich gar nichts wert!

Irgendwer hat irgendwann beschlossen, den Schein zum Sein zu ernennen und deshalb Geldscheine in Umlauf gebracht. So muss man nicht andauernd das schwere Silber oder Gold mit sich herumschleppen, das ja einen wirklichen Wert besitzt. Ebenso verhält es sich mit Talenten. Wer einen Titel vorweisen kann („nun hab ich, ach …"), der tut penetrant kund, daß er mindestens auf einem Gebiet ungeheuer klug ist. Damit lässt sich dann auch wieder Geld machen: Scheine!

Diese Scheine kann ein Mann umtauschen, in Häuser, Autos, Ländereien, Frauen und Kinder. Er hat Macht! Er verfügt, dank seiner Scheine, über die Möglichkeit, frei zu entscheiden, was er mit seinem Leben anfängt und womit er sich bestätigt. Daß letztlich oft alles nur auf dem Schein einer vorgespiegelten Weisheit, oder Fähigkeiten beruht, die ein mächtiger Mann/Mensch nicht beweisen muss, hat keine vorrangige Bedeutung – der Schein macht‘s … er ist alles auf der Welt!

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