Die Schneekönigin - Page 5

Bild von Hans Christian Andersen
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mit schönen, wechselnden Farben; die letzte hängt noch am Pfeifenstiele, und biegt sich im Winde; die Schaukel geht. Der kleine, schwarze Hund, leicht wie die Blasen, erhebt sich auf den Hinterfüßen, und will mit in die Schaukel; sie fliegt; der Hund fällt, bellt und ist böse; er wird geneckt, die Blasen bersten. – Ein schaukelndes Bret, ein zerspringendes Schaumbild ist mein Gesang!«

»Es ist wohl möglich, daß es hübsch ist, was Du erzählst, aber Du sagst es so traurig und erwähnst des kleinen Karl gar nicht.«

Was sagen die Hyacinthen?

»Es waren drei schöne Schwestern, durchsichtig und fein. Das Kleid der Einen war roth, das der Andern blau, das der Dritten ganz weiß. Hand in Hand tanzten sie beim stillen See im klaren Mondscheine. Es waren keine Elfen, es waren Menschenkinder. Dort duftete es süß, und die Mädchen verschwanden im Walde; der Duft wurde stärker; drei Särge, darin lagen die schönen Mädchen, glitten von des Waldes Dickicht über den See dahin; die Johanniswürmchen flogen leuchtend rings umher als kleine, schwebende Lichter. Schlafen die tanzenden Mädchen oder sind sie todt? – Der Blumenduft sagt, sie sind Leichen; die Abendglocke läutet den Grabgesang.«

»Du machst mich ganz betrübt!« sagte das kleine Gretchen. »Du duftest so stark; ich muß an die todten Mädchen denken! Ach, ist denn der kleine Karl wirklich todt? Die Rosen sind unten in der Erde gewesen, und sie sagten: nein!«

»Kling, klang!« läuteten die Hyacinthenglocken. »Wir läuten nicht für den kleinen Karl, wir kennen ihn nicht! Wir singen nur unser Lied, das einzige, welches wir können!«

Und Gretchen ging zur Butterblume, die aus den glänzenden, grünen Blättern hervorschien.

»Du bist eine kleine, klare Sonne!« sagte Gretchen. »Sage mir, ob Du weißt, wo ich meinen Gespielen finden kann?«

Und die Butterblume glänzte so schön und sah wieder auf Gretchen. Welches Lied konnte die Butterblume wohl singen? Es handelte auch nicht von Karl.

»In einem kleinen Hofe schien die liebe Gottessonne am ersten Frühlingstage schön warm, ihre Strahlen glitten an des Nachbarhauses Weißen Wänden hinab, dicht dabei wuchs die erste gelbe Blume und glänzte golden in den warmen Sonnenstrahlen. Die alte Großmutter saß draußen in ihrem Stuhl, die Enkelin, ein armes, schönes Dienstmädchen, kehrte von einem kurzen Besuche heim; sie küßte die Großmutter. Es war Gold, Herzensgold in dem gesegneten Kusse. Gold im Munde, Gold im Grunde, Gold dort in der Morgenstunde! Sieh, das ist meine kleine Geschichte!« sagte die Butterblume.

»Meine arme, alte Großmutter!« seufzte Gretchen. »Ja, sie sehnt sich gewiß nach mir, ist betrübt über mich, ebenso, wie sie es über den kleinen Karl war. Aber ich komme bald wieder nach Hause, und dann bringe ich ihn mit. – Es nützt zu nichts, daß ich die Blumen frage, die wissen nur ihr eigenes Lied, sie geben mir keinen Bescheid!« Und dann band sie ihr kleines Kleid auf, damit sie rascher gehen könne; aber die Pfingstlilie schlug ihr über das Bein, indem sie darüber hinsprang. Da blieb sie stehen, betrachtete die lange, gelbe Blume und fragte: »Weißt Du vielleicht etwas?« und sie bog sich ganz zur Pfingstlilie herab; und was sagte die?

»Ich kann mich selbst erblicken, ich kann mich selbst sehen«, sagte die Pfingstlilie. »O, o, wie ich dufte! – Oben in dem kleinen Erkerzimmer steht, halb bekleidet, eine kleine Tänzerin, sie steht bald auf Einem Beine, bald auf beiden, sie tritt die ganze Welt mit Füßen, sie ist nichts als Augenverblendung. Sie gießt Wasser aus dem Theetopf auf ein Stück Zeug aus, welches sie hält, es ist der Schnürleib – Reinlichkeit ist eine schöne Sache! Das weiße Kleid hängt am Haken, das ist auch im Theetopf gewaschen und auf dem Dache getrocknet; sie zieht es an, nimmt das safrangelbe Tuch um den Hals, so scheint das Kleid weißer. Das Bein ausgestreckt! Sieh, wie sie auf einem Stiele prangt! Ich kann mich selbst erblicken! Ich kann mich selbst sehen!«

»Darum kümmere ich mich gar nicht!« sagte Gretchen. »Das brauchst Du mir nicht zu erzählen!« Und dann lief sie nach dem Ende des Gartens.

Die Thür war verschlossen, aber sie drückte auf die verrostete Klinke, so daß diese los ging; die Thür sprang auf, und da lief das kleine Gretchen mit bloßen Füßen in die weite Welt hinaus. Sie blickte dreimal zurück, aber da war Niemand, der sie verfolgte; zuletzt konnte sie nicht mehr gehen und setzte sich auf einen großen Stein, und als sie ringsum sah, war der Sommer vorbei, es war Spätherbst, das konnte man in dem schönen Garten gar nicht bemerken, wo immer Sonnenschein und Blumen aller Jahreszeiten waren.

»Gott, wie habe ich mich verspätet!« sagte das kleine Gretchen. »Es ist ja Herbst geworden, da darf ich nicht ruhen!« und sie erhob sich, um weiter zu gehen.

O, wie waren die kleinen Füße wund und müde! Rings umher sah es kalt und rauh aus; die langen Weidenblatter waren ganz gelb und der Thau tröpfelte als Wasser herab, ein Blatt fiel nach dem andern ab, nur der Schlehendorn trug noch Früchte, die waren herbe und zogen den Mund zusammen. O, wie war es grau und schwer in der weiten Welt!

Vierte Geschichte. Prinz und Prinzessin.

Gretchen mußte wieder ausruhen. Da hüpfte dort auf dem Schnee, der Stelle, wo sie saß, gerade gegenüber, eine große Krähe, die hatte lange gesessen, sie betrachtet und mit dem Kopfe gewackelt; nun sagte sie: »Kra! kra! – gut' Tag! gut'Tag!« Besser konnte sie es nicht herausbringen, aber sie meinte es gut mit dem kleinen Mädchen und fragte, wohin sie allein in die weite Welt hinausgehe. Das Wort »allein« verstand Gretchen sehr wohl und fühlte recht, wie viel darin lag, und dann erzählte sie der Krähe ihr ganzes Leben und Geschick, und fragte, ob sie Karl nicht gesehen habe.

Die Krähe nickte ganz bedächtig und sagte! »Das könnte, sein!«

»Wie? Glaubst Du?« rief das kleine Mädchen, und hätte fast die Krähe todt gedrückt, so küßte sie diese.

»Vernünftig, vernünftig!« sagte die Krähe. »Ich glaube, ich weiß, – ich glaube, es kann der kleine Karl sein! aber nun hat er Dich sicher über der Prinzessin vergessen!«

»Wohnt er bei einer Prinzessin?« fragte Gretchen.

»Ja, höre!« sagte die Krähe. »Aber es fällt mir schwer, Deine Sprache zu reden.

Veröffentlicht / Quelle: 
Ausgewählte Märchen. Verlag von Ambr. Abel, 1910

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Kommentare

05. Dez 2017

Wer liebt dieses Märchen nicht?

LG - Marie

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