Der moosbedeckte, weiche Waldboden fühlte sich kühl an unter meinem müden Rücken. Ich blickte zu den blauen Himmelsfetzten, die sich zwischen den dunkelgrünen, tanzenden Tannenwipfeln auszuruhen schienen. Kein Geräusch drang an meine Ohren, mein Kopf lag schwer und müde auf dem Moos, er sank darin ein und schien sich nie mehr erheben zu wollen. Ich spürte meine Beine, deren Muskeln sich entspannt hatten und zupfte mit den Fingern sanft an zartgrünen Blättern, die verstreut um mich herum genauso müde wie ich dazuliegen schienen. Ich schloss die Augen und konnte erst jetzt das leise Summen und Zirpen unzähliger Insekten wahrnehmen.
Es mag wohl so ausgesehen haben, als hätte ich Ruhe und Entspannung gefunden und sei völlig eins mit mir. Nichts hätte ich mir sehnlicher gewünscht, als dass sich die äussere Entspannung auf meine unruhige Seele übertragen hätte, ja, dass ich von einer Zaubermacht berührt und in eine ruhige Nacht getragen worden wäre.
Ich zuckte leicht zusammen, als ich neben meinen Füssen einen zarten Windhauch verspürte und sich in mir eine warme Ruhe auszubreiten begann. Als ich die Augen vorsichtig öffnete und den Kopf leicht anhob, erblickte ich eine graue Waldtaube, die reglos neben meinem rechten Fuss sass und mich mit ihren schwarzen, glänzenden Augen unverwandt anstarrte. Ich konnte den Blick nicht davon abwenden, die Taube schien mich mit einer magischen Kraft berührt zu haben.
Ich spürte, wie mein Körper und meine Seele leicht wurden, wie sie sich gemeinsam langsam erhoben, über dem dunklen Waldboden zu schweben schienen und sanft emporstiegen zu den Himmelsfetzen, die mich mit klarem Licht umfingen und deren unendliche Wärme mich durchströmte.
Waldtaube

von Ruth Weber-Zeller
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