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Das übliche Spiel.
Zwei von den Libanesen (oder Maghreb-Typen) standen hinten in der Ecke und steckten einander Briefchen zu. Der eine trug eine affige olivgrüne Kunstlederjacke mit hochgestelltem Kragen, hatte Dreitagebart und riesige adidas-Schlappen. Sie führten ihr kleines Händchenspiel auf. Der mit den Sneaks blieb noch da. Ich hatte bereits mitgekriegt, dass er Hussein hieß.
Heute nehme ich mir, was ich brauche.
Habt ihr Leute von Wäschefetischismus gehört? Die Scheiße bei mir ist nämlich, dass ich auf Pussys abfahre, aber auch noch auf schweißige, dicke Socken, die aus sauberen Sportschuhen kommen, Männerschuhen. Männersocken, Männerfüße, Männerzehen. Ich weiß nicht, warum. Ich kann es nicht erklären. Gibt keinen Grund. Mir geht keiner ab. Tja, wenn es läuft, werde ich hart und es kommt ein wenig. Gut läuft es aber nur, wenn sie mich für einen Perversen halten und mir einen Fuß mit der warmen Socke dran in den Mund stopfen. Schon klar. Ich sag nicht, dass es irgendwer nachmachen sollte. Es ist natürlich so was von beknackt, das weiß ich schon auch.
Es war ein geiles Festival.
Okay, es war zwar nichts anderes als die Siebte Dinkelsbühler Kneipen-Rock-Nacht. Mit gelben Bändchen am Arm und einem Bus, der woanders war, wenn du auf ihn gewartet hast. Und leer, wenn du ihn ausnahmsweise je kriegtest. Dennoch war’s endgeil. Das verlauste Kaff, es erbebte nachts um halb elf von einer Bassbox zur nächsten. Aus jeder dritten oder vierten Gasse kamen einem die Kids mit ihren qualmenden Tüten entgegen. Seeed, Gentleman, Rammstein, Ihre Sklaven wurden in all den sonst so spießigen Gasthöfen gecovert. Ich in der Reichsstadthalle und mehr oder weniger auf dem Weg, mich in die Unterwelt von Ansbach oder Feuchtwangen zu verknallen.
Ich zündete mir eine Zigarette der Marke Lucky Strike Silver an.
Bin ja nicht so bekannt in Dinkelsbühl. Ist üblicherweise nicht mein Revier. Reicht, dass ich weiß, wo Dinkelsbühl liegt. Und die Feuchtwangener Figuren sahst du eine Zeitlang eben abhängen im Schuppen beim stillgelegten Bahnhof. Oft ein, zwei von diesen dürren, pickligen, blonden, russischen Tussen mit. Wahrscheinlich hockten sie da, bis einer anrief und was bestellte.
Neben mir stand ein Kerl.
Keine Ahnung, wo er so schnell hergekommen war. Verdammt dicht dran stand der schon. Wie die meisten Perversen sehe ich irgendwie schwul aus. Man sieht solche Dinge ja auch nicht mehr so eng, wenn man selber schon pervers ist. (Dieser Sockenfimmel, hab ich eben erst erzählt, tut mal nicht so!) In dem Fall war ich fast happy, denn der Alte nebendran war einer von den Kameltreibern und zwar, ihr habt’s vorausgesehen, der mit diesem geilen Schuhwerk.
Ich lächelte.
Ich will mich hier nicht erinnern müssen, wie oft ich dem Volk Geld angeboten hab, dass sie mich an den Füßen was machen lassen. Grundsätzlich ist mir lieber, wenn sie dann in meinem Alter sind und auch noch einigermaßen aussehen. Wobei es einfach nicht der Punkt ist. Ich steh halt nicht auf Männer. Alte Säcke können es also auch mal sein. Denen kommt man mit Geld aber eher selten bei. Gleich meinen die, man will sie abziehen. Wobei man nicht sagen kann, die Jungen wären irgendwie offener. Nein, das ist alles nicht so, wie man so denkt. Egal, es stand mittlerweile einfach fest, dass ich mich diesem Beduinen vor seine Latschen schmeißen und lecken wollte. Gut möglich, dass er mir seine sportlichen Treter in die Zähne kicken würde. Wenn es knapp würde, konnte ich mich ins Gemenge verwieseln, das sind so die Vorteile von den Massenaufläufen.
Hussein nahm einen Schluck Bier.
Er hatte mich immer von der Seite beäugt und nie was gesagt. Er starrte zur Bühne rauf. Er fingerte das Briefchen in seiner Jacke. Wiegte sich wie Elvis in seinen Hüften. Dieser Krach machte ihn voll an.
Die Menge jubelte.
Paar dürre, schwarzgefärbte und bekleisterte Emospacken gniedelten sich einen fort, weinten ins Mikro über die Nicht-Existenz, wedelten lackierte Fingernägel. Hussein hieb Löcher in die Luft mit seinem spitzen Kinn. Das war also jetzt der Moment. Mit halb erhobenen Armen torkelte ich, wiegte mich wie er, sackte in die Knie ab. Er wusste es immer noch nicht. Ich ließ mich fallen, ich lag im Dreck und parkte ein perverses Maul zwischen den adidas-Schlappen.
Hussein schrie sich die Seele aus dem Leib.
„Ich fick dich! Ich fick deine Mutter! Ich fick deine Schwester!“
Hörte außer mir ja keiner, nur Ohren für diese Emogirlies dort vorne. Ich probierte die alte Story von der Wette. Ich würde mich angeblich nicht trauen, an öffentlichem Ort, inmitten all der Menschen auf dem Boden liegend, einem völlig Fremden die Schuhe auszuziehen und die Socken in den Mund zu nehmen. Hussein lachte und nahm einen Schluck vom süffigen Stefansbräu.
„Du Spast kriegst meine Stinkesocken nur, wenn du mir ein Höschen von deiner Freundin bringst, frisch getragen, warm, nach Muschel duftend.“
(Er sagte es härter, aber sonst drucken die das hier ja nicht.)
Okay. Wir hatten den Deal. Er war auch Kollege. Steht auf Fetischklamotten mit Körpergeruch.
Niemand achtete auf ihn.
Und auf mich achtete natürlich ebenso keine Sau. Ich lag im Korridor zum Klo so vor ihm ausgestreckt, presste die Nasenspitze gegen die Sneakers, sie rochen frisch gekauft. Ich finde immer, die Schuhe sollen makellos sein, die Strümpfe dann richtig abartig nach dem Schweiß des Trägers stinken. Für mich ist das irgendwie bedeutungsvoll. Also eben, dass du wirklich nichts rein kriegst auf dieser Welt. Die Menschheit macht alles dreckig, entweder du gehörst zu den Verschmutzern oder du musst ihren Schmutz fressen. So seh ich das halt. Kein Anspruch, dass das die Wahrheit sein muss. Ich bin sowieso ja nicht sauber im Kopf. (Das hatten wir schon mal.)
Dann ging alles ganz schnell.
Er riss mich vom Boden hoch. Spuckte mir ins Gesicht. Er knallte mir das Jochbein gegen Rahmen der Klotür. Ich sah die silbernen Sternlein.
„Glaub bloß nicht, dass ich dir den Arsch hinhalt, du Schwuchtel“, hörte ich gerade noch jemanden raunen.
Eigentlich habe ich in meinen Leben viel erreicht.
Ich habe die aufregendste Frau von ganz Gunzenhausen (und Umkreis bis rüber hinter Pleinfeld) gekriegt. Wenn auch ja nur vorübergehend. (Um es jetzt schon zu spoilern.) Ich bin den Eltern, ihrer Omi, allen Patenkindern, der sämtlichen Verwandten als „mein Verlobter“ präsentiert worden. Ich war mit ihr im Spielcasino
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[Anmerkung: Die einzeln stehenden, kurzen Sätze sind wörtliche Zitate aus einem Texterforum. Um sie her wurde der übrige Text erbaut. Der seinerzeitige Autor hatte sich Randall_Flagg benannt und ist mir ansonsten nicht mehr bekannt geworden.]
Kommentare
ein bisschen Bukovski und vermutlich einigen realen Hintergrund...
Gruß
Alf
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