Auch ein Lebenslauf

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von Alf Glocker

Als ich vor vielen turbulenten Jahren meine zweifelhafte „Karriere“ hier auf diesem Planeten begann, war es mir, aus heutiger Sicht, als startete ich in einem Großunternehmen. Ich fing, ganz unten, in der Euphoria an, wo ich hauptsächlich damit beschäftigt war, komische Heilige zu bedienen, die sich, aus mir unerfindlichen Gründen, darüber freuten, daß ich vorhanden war.

Bald wechselte ich in die nächst anspruchsvollere Etage, wobei ich sagen muss, daß das Wort „Anspruchsvoll“ nicht auf mich zutraf, sondern dem entspricht, was die andern von mir wollten. Heute nenne ich diese Zeit die Fließband-Abteilung, wo ich hauptsächlich damit beschäftigt war, es rücksichtslosen Antreibern recht zu machen.

Von dort aus kam ich in die Warenprüfstelle, muss aber fairerweise – mir selbst gegenüber – hinzufügen, daß die zu prüfende Ware immer nur ich war. Dieser Job gestaltete sich außerordentlich stressig und außerdem fand ich, daß die Warenprüfer fast allesamt noch dümmer waren als ich – und das will was heißen, denn ich hatte vom Leben noch gar keine Ahnung, während sie, die Prüfer schon sehr abgebrüht und, aus diesem Grund, sehr dumm waren.

Aber in der nächsten Abteilung wurde ich dafür reichlich (wenig) entschädigt! Ich hatte genau das richtige Alter, als ich anfing, mich fortwährend in meine Kolleginnen zu verlieben, wobei ich hauptsächlich damit beschäftigt war, mich stets von meiner besten Seite zu präsentieren … ebenfalls wieder wie eine Ware … ich aber nicht unbedingt für gut befunden wurde … und wenn doch, dann konnte ich damit nicht umgehen.

Schließlich ging es ab in den Teamwork-Trakt. Die dort gestellten Aufgaben hießen „Schätze dein Gegenüber ab und mach das Beste draus“, oder „Werde den neuen Anforderungen auf Biegen und Brechen gerecht!“ Dabei machte ich eine eher klägliche Figur, weshalb ich mich bald in die „Analyse“ versetzen ließ. Dort erinnerte ich mich kurzzeitig wieder an meinen Anfang, ganz unten, in der Euphoria.

Meine Ergebnisse gingen damals aus der Analyse direkt ins Planungsbüro, aber sie kamen alle unverstanden zurück. „Unbrauchbar“ hieß es – „schön gemacht, aber unbrauchbar“. Und so wurde versucht, meine Person als Ware wiederum neu einzuschätzen, da jedoch niemand meine Analysen verstand, stellte sich das als zu mühsam für die Prüfstellen und als zu beleidigend für mich selbst heraus.

Meine darauf folgende Tätigkeit im Rationalisierungsbüro erregte schließlich den ultimativen Anstoß, da ich mich tatsächlich mit der Ratio befasste. Das konnte ja nicht gutgehen! Denn ich rationalisierte den Irrsinn komplett aus der Welt heraus und wunderte mich dann auch noch über den Scherbenhaufen, der vor mir lag. Was sonst?!

Daraufhin arbeitete ich lange Jahre in der Hochleistung, um, außerhalb fehlbesetzter Instanzen, etwas unter Beweis zu stellen, das kein Mensch, außer ein paar nicht Scheinheiligen, nachvollziehen konnte. Die Bezahlung für mein Engagement in der Firma „Leben auf der Erde“ blieb daher stets unter aller Sau, und genau aus diesem fadenscheinigen Grund arbeite ich heute ganz anderswo …

Die Resignatur ist mein Zuhause geworden! Es geht mir gut, ich kann klagen, so oft ich will, aber ich will gar nicht, denn dafür fehlt es mir am Verständnis für mich selbst und ehrlich gesagt, habe ich auch gar keine Zeit dafür. Die Resignatur hat Millionen Regale, die alle in Ordnung gehalten werden wollen … und wer weiß … vielleicht entdecke ich in einem davon ja noch einen Grund, wieder einmal euphorisch zu werden.

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