AU 2010 09 Ein Tag in Nelson, NZ

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

Seiten

Der 6. März 2010 war ein guter Tag für uns.

Für diesen Tag hatten wir uns ein volles Programm vorgenommen, das sich zum Ende hin mehrmals um einen Punkt erweiterte.
Es war Samstag und wir wussten von unseren Tauschpartnern, dass von 8 bis 13 Uhr der beliebte wöchentliche Markt im Stadtzentrum von Nelson stattfindet. Außerdem wollten wir zum Informationszentrum, um eine Busfahrt zum Abel-Tasman-Nationalpark zu buchen. Wir wussten auch von einer Swedish Bakery, bei der wir frühstücken wollten. Danach ein Besuch eines Viertels, in dem die Häuser, hübsch renoviert, im gleichen Stil sind, wie vor ca. hundert Jahren gebaut. (Die ersten Siedler kamen1842 nach Nelson.) Zum Abschluss dann noch mit Bedacht einkaufen: Der Rucksack darf nicht zu schwer werden, da der letzte Kilometer vor unserem Haus ein wirklich steiles Stück Straße ist. Sobald man den zentralen Stadtbereich verlässt geht es steil aufwärts. (So war das auch in Wellington, aber dort hatten wir die Endstation der Schienen-Seilbahn ganz in der Nähe des Hauses, in dem wir wohnten.)
Durch Zufall hatten wir aber noch eine ungeplante Begegnung an diesem Tag, die gewissermaßen den abschließenden Höhepunkt des Tages bildete.

Also früher aufstehen als sonst, kein Spaziergang, kein Frühstück, Wasserflasche in den Rucksack und los. 25 Minuten später sahen wir den bereits vollgepackten Marktplatz. Wir gingen aber weiter, um in der nahegelegenen Schwedischen Bäckerei auf der Bridge Street 25 zu frühstücken. Der Verkaufsraum war winzig, die zwei kleinen Tische innen und der dritte draußen besetzt. Die riesigen Brötchen mit etwas Klebrigem unter allerlei Grünzeug sagten uns nicht zu. Den schwedischen Favorit Brötchen nur mit Käsebelag konnten sie uns nicht machen, Enttäuschung. Das typisch schwedische Gebäck "Wienerbröd" hatten sie auch nicht, aber andere, ähnliche Teilchen, die sie hier und in Australien "Danish" nennen. Wir kauften zwei, gingen ins Café nebenan, kauften türkische Brötchen mit Käse, Kaffee im Pappbecher und genossen endlich unser Frühstück an einem Tisch gleich vor dem Café.

Gestärkt ging es dann weiter zum Informationszentrum, kauften dort die Buskarten für den kommenden Montag. Ein wirklich ansehnliches Informationszentrum für diese kleine Stadt, vergleichbar mit der der Millionenstadt Auckland! Wir wählten die Zwei-Stunden-Fahrt bis Marahau, wo der kleinste (aber immerhin 225 km2 großen) Nationalpark Neuseelands beginnt. Er ist benannt nach dem holländischen Entdecker Abel Tasman, der 1642 als erster diese Gegend besuchte. Er sah in diesem Land aber keinen Wert für Holland. Als James Cook 1769 Neuseeland wiederentdeckte, zeigte England Interesse daran.

Nun aber zum Samstag-Markt. Man hat ja schon viele Märkte gesehen und hatte keine besonderen Erwartungen. Wir wurden aber angenehm überrascht. Die vielen kleinen Stände boten überwiegend Produkte aus eigener Herstellung von augenscheinlich guter Qualität an: Gemüse aller Art, Kunsthandwerk aller Art, Gewürzmischungen, Honig, Marmelade aller Art...
Wir bewunderten u. a. einen riesigen Basilikumstrauch.

Ich kaufte frische Zwiebeln und einen duftenden, fast schwarzen Honig einschließlich einer ordentlichen Kostprobe. (Den Rest dieses herrlichen Honigs durften wir später nicht nach Australien ausführen.) Gullan kaufte eine tolle, handgemachte Geburtstagskarte (Spezialität meiner Tochter Lisa, sagte die Standfrau stolz) und zwei gestrickte Minipuppen - zum Aufstecken auf die Finger - die Oma und Opa darstellten. Ein gedachtes Geschenk für die Enkelkinder in Brisbane, zu denen wir ja seit dem 19. Januar unterwegs sind. In einer Woche werden wir sie sehen.

Gleich darauf hörten wir einen Sänger mit Gitarre, der einen Song mit melancholischer Melodie in einer uns unbekannten Sprache sang. Wir gingen näher und sahen einen kräftigen, tätowierten Maori. Ich wollte ihn fotografieren und bat Gullan, etwas Geld in seinen Gitarrenkasten zu werfen, dann sieht das vielleicht nicht so peinlich aus. Der Mann merkte das aber sofort, hörte auf zu spielen, winkte Gullan zu sich und gab mir ein Zeichen. Ich machte zwei Bilder und ging dann auch zu ihm. Wir unterhielten uns sicherlich 10 Minuten lang. Ich fragte, was er spielte. Er erklärte, es handele sich um Songs, oder Balladen, die Maoris aus den beiden Weltkriegen mit nach Hause brachten, schreiben konnten sie nicht. Diese Art des Erzählens ist alte Maorikultur. Ich war erstaunt zu hören, dass auch Maoris in diesen Kriegen kämpften. Er erzählte uns, dass die Maorisprache am aussterben ist. Maoris ganz ohne europäisches Blut gibt es wenige. In der Schule wird nur Englisch gelehrt. Immer weniger Eltern sprechen mit ihren Kindern ihre Muttersprache. Er selbst hat 9 Kinder und zu Hause sprechen sie nur Maori. Er erzählte uns auch, dass er als Kind oft mit seinen Eltern zeitweise in den Busch (Einsamkeit in den Bergen) ging, um wenigstens ansatzweise etwas von der früheren Lebensart zu spüren.
Dieser freundliche Maori ist ein Nachfahre eines pazifischen Inselvolkes, das im 13. Jahrhundert (etwa 300 Jahre vor den europäischen Seefahrern) von Polynesien aus das zuvor unbewohnte Neuseeland als erste Einwanderer besiedelte.
Wir bedankten uns für das interessante Gespräch am Rande des Menschengetümmels. "Wir wollen Dich nicht länger von Deiner Arbeit abhalten."
Ich sah jedoch, dass während unseres Gesprächs mehrere Leute Geld in den Kasten legten.

Damit beendeten wir unseren Marktbesuch und machten uns auf den Weg zu dem Viertel mit den alten Häusern. Wir hatten die Lage im Stadtplan angekreuzt. Durch die uns bereits vertrauten, blumengeschmückten Straßen des Innenstadtviertels, rechts an der Kirche auf dem Hügel vorbei, dann links. Auf dem Weg dorthin sahen wir ein Schild auf einem Eckhaus: The Nelson Provincial Museum. Da müssen wir rein. In solchen Museen erfährt man, wie alles anfing hier Mitte des 19. Jahrhunderts. (So etwas interessiert mich am meisten.) So war es auch hier.
Auf meinen/unseren Spaziergängen habe ich den nicht allzu großen aber berühmten Felsen im Meer, nicht weit von der Straße entlang der Küste, mehrfach bestaunt und fotografiert, wir sehen ihn auch von unserer Terrasse. Davor, an der schmalen Strandpromende (entlang der verkehrsreichen Küstenstraße Rocks Road), steht ein unscheinbares, gegossenes Schild: Hier legte Arthur Wakefield im November 1841 an.
Wir wohnten hier anscheinend direkt an einem historischen Platz. Ich war neugierig auf die ganze Geschichte. In diesem Museum (und im Internet) erfuhr ich: Arthur Wakefield war ein ehemaliger Seekapitän im Dienste der englischen Marine. Er wechselte zur New Zealand Company, die mit der Besiedelung Neuseelands Geld verdienen wollte. Arthur Wakefield bekam ein Schiff und sollte besiedelbares Land mit einem geeigneten Hafen im Norden

© Willi Grigor, 2010 (Rev. 2017)

Zugehöriges Gedicht:
literatpro.de/gedicht/230116/du-schoenes-stilles-musterland

Seiten

Prosa in Kategorie: 
Thema / Klassifikation: