AU 2010 09 Ein Tag in Nelson, NZ - Page 2

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

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der Südinsel suchen. Dies fand er im heutigen Bereich um Nelson. Er legte am 1. November 1841 an der oben genannten Stelle an.
Der natürliche Hafen ist durch eine 14 km lange Sandbank (Boulder Bank), geschützt und hat eine etwas beschwerliche Einfahrt am Ende der Sandbank (besonders bei Ebbe) mit diesem auffälligen Felsen etwas im Wege.

Bereits am 1. Februar 1842 kamen die ersten Siedler mit einem Konvoi aus drei Schiffen. Wakefield hatte bereits erste Straßen und Häuser bauen lassen. Die Einfahrt in den natürlichen Hafen war schmal und der oben erwähnte Felsen und die geringe Tiefe bei Ebbe machten die Ein- und Ausfahrt für die damaligen großen Segler schwierig. Die Einfahrt ging ohne Probleme. Bei der Ausfahrt zur Heimkehr nach Europa rammte eines der Schiffe das Felsenriff. Erst fünf Jahre später war das Wrack beseitigt. Es war wohl in dieser Zeit ein deutliches Warnsignal für alle Kapitäne, die in dieser Zeit nach Nelson kamen.
Später wurde die 14 Kilometer lange Sandbank, an deren Ende die Hafeneinfahrt lag, einige hundert Meter weiter durchbrochen, und so eine sichere Einfahrt geschaffen.

Von der Terrasse des Hauses, in dem wir wohnten, hat man eine nicht zu schlagende Aussicht (was sicherlich mehrere hundert andere Hauseigentümer mit vollem Recht behaupten können) über diese neue Hafeneinfahrt, aber auch über die alte mit dem geschichtsträchtigen Felsen nahe daran. Oberhalb unseres Hauses, ca. 100 m nebenan, steht ein Schild mit der Information, dass hier früher die Flaggen-Signalanlage stand, mit der den ankommenden Schiffen der Gezeitenstand angezeigt wurde.

Es kamen soviele Siedler, dass das Land knapp wurde. Die Berge beginnen ja fast überall nahe an der Küste. Mit Zustimmung von Arthur Wakefield, nahmen die Siedler Beschlag von fruchtbarem Land bei dem heutigen Ort Blenheim. Der Leiter der Maoris dort sah dies als eine Verletzung der getroffenen Vereinbarung an (er hatte gute Gründe dafür). 1843 kam es zur ersten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Maoris und Siedlern, bei der u a. auch Arthur Wakefield starb.

Nach diesem kleinen Museum-Abschweifer gingen wir weiter zu dem Viertel (South Street) mit den hübsch herausgeputzten, alten Häusern aus der Gründerzeit.

Nach dieser kurzen Besichtigung war es eigentlich Zeit, die Heimkehr anzutreten, etwas zu essen, einzukaufen. Ich war hungrig und dachte an den letzten, steilen Kilometer.
Wir waren am Rande der Stadt angelangt und sahen einen unbewaldeten Hügel. Die Straße führte geradewegs dorthin. "Wir gehen ein Stück in diese Richtung und schauen ob ein Pfad auf diesen Berg führt. Dann gehen wir ein anderes Mal hinauf und sehen uns die Innenstadt von oben an. Von unserem Hausberg aus ist dies nicht möglich." Gesagt getan.

Nur einige hundert Meter weiter sahen wir rechts einen riesigen Baum am Eingang zu einer Mädchenschule. Ein Schild klärte auf, dass dieser Eukalyptusbaum 1857 gepflanzt wurde, nur fünfzehn Jahre nach Ankunft der ersten Siedler aus England. Man könnte meinen, dass sie wichtigere Dinge zu tun hatten. Bäume zu pflanzen ist ein wichtiges Ding. Und diesen Koloss von Baum zu fotografieren, war wichtig für mich. Viele Baumfotos habe ich schon, viele werden folgen.

Wir wandern weiter Richtung Berg. Kaum Verkehr. Links feine alte Villen.

Dann ein Schild: MELROSE - Historic House - Public Gardens. Müssen wir uns anschauen! In einem parkähnlichen Garten sehen wir ein pampiges Holzhaus, das 1876 von einem hohen Angestellten der englischen Firma, die Land an die Siedler verkaufte, gebaut wurde. Heute gehört es der Stadt und kann für festliche Ereignisse gemietet werden. Ich fotografierte u. a. einen stattlichen kalifornischen Redwood-Baum, der 1890 gepflanzt wurde.

Wieder auf der Straße sahen wir in Richtung Berg ein Schild. Ich sagte: "Wenn dies keinen Hinweis auf Pfade hinauf zum Berg hat, dann kehren wir um."

Auf dem Schild stand: FAIRFIELD HOUSE - Open to Visitors. Dahinter wieder so ein großes, hübsches Haus aus der Gründerzeit (gebaut 1872-1883), das der Stadt gehört und für festliche Ereignisse gemietet werden kann. Müssen wir uns anschauen!

Hier hatten wir dann dieses am Anfang erwähnte zufällige und interessante Zusammentreffen mit einem freundlichen Paar.

Wir wollten gerade ein kleines Nebenhaus, mit schönen Blumen davor, fotografieren, als ein Paar mittleren Alters vom nach oben führenden Pfad plötzlich um die Ecke kam. Ein kleiner Hund, der ihnen zugelaufen ist, war auch mit dabei. Der Mann sagte im selben Augenblick:
"Guten Tag, wie geht's?"
Wir waren etwas überrascht. Normalerweise wird man hier auf englisch angesprochen. Die beiden sahen nicht wie Touristen aus. Sie kamen vom Berg, waren aber nicht verschwitzt und hatten keinen Rucksack.
"Danke sehr gut, und wie geht's Ihnen?" war unsere Antwort.
"Auch gut. Wir sind hier für die Gartenarbeiten zuständig. Heute wird hier eine Hochzeit gefeiert. Wo kommt ihr her?"
Wir sagen der Einfachheit halber immer "aus Schweden".
Wir fragten, wo sie in Deutschland wohnten und wie sie nach Nelson kamen. Beide machten einen sehr offenen Eindruck und erzählten gern, vor allem er.
Er heißt Bernd und kommt aus Köln, sie heißt Petra und kommt aus Düsseldorf-Flingern. Ich konnte direkt einige Gemeinsamkeiten mit Petra austauschen, Flingern ist nicht weit von Oberbilk entfernt, wo ich meine Jugendzeit verlebte. Petras Mutter wohnt in Unterbach. Ich bin mit meinen Freunden Erich und Johnny oft mit dem Fahrrad nach Unterbach gefahren und haben im dortigen See geschwommen.

Petra und Bernd hatten schon länger den Wunsch, Deutschland zu verlassen um irgendwo ein neues Leben unter anderen Vorzeichen zu beginnen. Es wurde deutlich, dass sie ein einfaches Leben ohne Karrierezwang suchten. Als ich das Wort "Aussteiger" gebrauchte, berichtigte mich Petra: "Wir sind Umsteiger!" Ich fand, diese Bezeichnung passte besser.
Vor vier Jahren zogen sie nach Auckland im Norden der Nordinsel Neuseelands. Dort gefiel es ihnen aber nicht, was ich verstehe. Auckland ist eine Millionenstadt. Sie arbeiteten sich in Richtung Süden, kamen in die relativ kleine Stadt Nelson. Nelson hat eine tolle Lage am Meer, liegt fast am Rand des Abel-Tasman-Nationalparks, und ist die Stadt in Neuseeland mit den meisten Sonnentagen im Jahr. Es ist eine Stadt im Aufschwung. Jetzt sind sie schon seit über einem Jahr hier und nehmen alle möglichen Arbeiten an: Obstpflücken, auf Weingütern arbeiten, Organisieren von Festlichkeiten, Anstricharbeiten, Kochen, ja fast alles. Hier halten sie den Garten in Schuss, bekommen aber kein Geld, sondern dürfen stattdessen mietfrei in einer kleinen Hütte weiter oben am Hang

© Willi Grigor, 2010 (Rev. 2017)

Zugehöriges Gedicht:
literatpro.de/gedicht/230116/du-schoenes-stilles-musterland

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