Scheinbar verfehlte Betrachtungen zum Thema Nr. 1

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

„Es wird viel zu wenig Bauland ausgewiesen!“, protestieren die Unternehmer bei den Kommunen. „Die Eingeborenen der Regenwälder sind genial“, sagen die Neukulturler, wenn sie nicht grade „Alle Genies sind faul“ von sich geben. „Kürzlich machte ich einen Intelligenztest", erzählte gestern ein Intellektueller. „Er war in Bildern und da kam ich gar nicht drin vor … die hatten alle entweder einen Bart, oder man konnte sie nachts nicht sehen." Niemand kann das besser beschreiben!

„In den Favelas blüht die Liebe 24 Stunden am Tag“, höre ich im Radio … nein, das habe ich nicht im Radio gehört, das habe ich im Fernsehen gesehen. „Woran hast du das erkannt?", fragt mich ein Hirsch, denn ich gehe gerade über eine Lichtung. Ich muss so laut lachen, daß überall die Vogelküken aus den Nestern fallen und ich denke mir: „Jetzt habe ich die Liebe zerstört." Dabei fällt mir meine Mutter ein. Das ist vielleicht ein Getöse!

Wer tritt auf den Grashalm, wer zertritt ein Insekt? Wer kann Ameisen nicht von Ameisen unterscheiden und wer pflegt den Garten nach Handbuch? Der Giftstand im Gartenmarkt hat bald wieder Saison. Aber wir lieben Bienen – heiß und innig! Warum? Weil sie so schön summen … Und Frauen? Ebenfalls deswegen! Und wie dürfen sie aussehen? Wie Lastkraftwagen, wenn’s sein muss – aber Krokodile gehen selbstverständlich auch.

„Gestern hatte ich mich in einen Schweinebraten verliebt“, verrät mir am Abend im Restaurant mein Tischnachbar, „aber am nächsten Morgen musste ich mich wieder von ihm trennen“. Ich war entzückt, wusste aber, wovon er sprach, als er seine Kinder erwähnte. Es seien seine, meint er stolz … und ich frage mich, was Stolz mit Liebe zu tun hat. Man kann sich vielleicht aus Liebe umbringen (lassen) – davon habe ich schon gehört, vor allem in Häusern die Glockentürme haben, aber sowas …

„Und wie geht es Ihrem Instinkt?“ frage ich heimtückisch und ernte sofort gehässige Blicke. Auf dem Heimweg verlangt die Polizei meinen Ausweis zu sehen. Die Beamten schütteln den Kopf, aber sie verhaften mich nicht, obwohl sie meine verklärten Augen gesehen haben. Ich bin high! Ich habe mich verliebt – in eine Sterbende … Direkt vor meinen Augen liegt sie am Boden, aber die Polizisten sehen sie nicht. „Es sind die ehemaligen Parkanlagen“ sagen sie und einer grinst!

Aber es sind gar nicht nur die Parkanlagen, es sind auch die Tiere, die wundervollen Menschen, nicht die misslungenen Kreaturen, die grade so beliebt sind – die mag der Teufel lieben. Aber der muss auch nicht, denn die lieben sich schon genug. Die Favelas wissen Bescheid! Nein – es gibt ja auch noch richtig wertvolle Wesen auf der Welt. Sie müssen dringend abgeholzt werden … wie das kleine Wäldchen vorige Woche, dort, vor der Bundesstraße. Da müssen noch Unterkünfte hin.

Unterkünfte für Liebende, versteht sich, für Liebende, die von uns geliebt werden, weil sie so zahlreich sind. Und Zahlen lieben wir ja sowieso! Damit können wir was anfangen. Wenn 7 Milliarden Liebende keine Regenwälder abholzen, sondern Genies mit Bärten verehren, oder solche, die bei Nacht unsichtbar werden, dann ist Pi mal Daumen, die Welt morgens um 7 noch völlig in Ordnung. Wir müssen halt nur genug Schweröl auf Traumschiffen verbraten, damit die Liebe dort nicht zu kurz kommt.

Zu Kurze kann die Liebe eh nicht gebrauchen. Sie braucht handfeste Tatsachen! Die dürfen ruhig auch verschleiert sein. Das tut der Liebe keinen Abbruch – im Gegenteil. Da kann Mann so richtig testen, was der Ausspruch „Die Katze im Sack“ bedeutet … und die Frauen werden erst gar nicht gefragt. Die können das aus dem Äffäff … das mit dem Lieben. Sagt ihnen doch einfach „Auf die Plätze, fertig … jetzt wird geliebt!“ Dann kommt‘s raus, wer das kann! Denn es wird einfach erwartet – überall auf der Erde … nur bei uns ist man zickig.

„Zur Ehre Gottes!“ Harharr! „Für die Weltherrschaft!“ Ach was?! „Weil es Spaß macht!“ Soso – und was noch? Geschenke gibt es nicht nur zu Weihnachten, oder was ihr derzeit so für komische Festivitäten pflegt. Hauptsache gesund – bloß nicht im Kopf! „Diese Liebe gehört mir!“ höre ich. Oje – da ist er wieder, der Hirsch von der Lichtung … und er senkt sein Geweih. Ich wäre ja eher für eine Steuersenkung, oder für eine etwas humanere Auslegung des Begriffs „Liebe“, aber ich mach mich, aus Sicherheitsgründen, jetzt mal umgehend vom Acker …

Bevor noch eine anfängt, mich nicht zu lieben, oder einer anfängt, es zu tun. Mir ist beides ein bisschen unheimlich. Ich fühle mich dabei immer so nackt und habe Angst, gefesselt zu werden. Die Würgemale auf der Stirn, vom letzten Event, sind immer noch blutunterlaufen. Ja, wie die Liebe selbst. Wie oft wurde sie schon vom Blut unterlaufen, von Verirrungen korrumpiert, von Veranlagungen pervertiert, in Briefe einkuvertiert und von raffinierten Subjekten ausgeschmiert. Was sie von Staatswegen wird, verrate ich lieber nicht, denn ich möchte sie auch zwischendurch noch erleben … und das geht im Knast nicht so gut …

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