So schnell wie möglich gesunden, das war die Devise. Dann musste gehandelt werden – so dachte Zoarn. Aber er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. In den letzten 3 Nächten war nicht an den notwendigen Gesundungsschlaf zu denken gewesen, denn von hinter dem Wald drang das unheimliche Geheul der eingedrungen Jünger dieses grausamen, fremden Glaubens bis ins Dorf. Sie schienen ein Fest zu feiern. Das Gebrüll der Männer, immer wieder unterbrochen von schrillen Frauentönen, war unüberhörbar.
Was für ein seltsames Gesindel mochte das wohl sein? Und wozu waren sie ins Land gerufen worden? Zoarn hatte da seinen ganz speziellen Verdacht, und in der Stadt hatte er gehört, daß er nicht der Einzige war, der diesen Verdacht hegte. Man musste sich zur Wehr setzen, das schien ihm eine unbedingte Notwendigkeit zu sein. Doch dafür brauchte man gute Voraussetzungen und die mussten erst einmal geschaffen werden. Die Lage schien ernst, sehr ernst! Und wie würde sich die allgemeine Bedrohung demnächst darstellen? Zoarn und seine „Mitverschwörer" dachten gegen die Zeit an. Viel davon blieb nicht mehr, bis die Eindringlinge in der Übermacht waren – sie und ihre amtlichen Kollaborateure.
Dann waren sie plötzlich im Dorf: die Büttel der Obrigkeit. „Der Graf hat Schergen geschickt, die dich verhaften sollen!“ rief der Schulte und Bauer Björn meinte: „Zieh dich an, du musst sofort weg – deine Waffen haben wir schon versteckt!“ Leider war es bereits zu spät. Die Verfolger stürzten ins Krankenzimmer und hatten Zoarn im Nu in Ketten gelegt. „Was wollt ihr denn von mir?“ protestierte er energisch. „Du bist des Mordes an 2 Staatsgästen angeklagt und wirst deshalb vor ein ordentliches Gericht gestellt!“
„Waass?“, schrie Zoarn, „sie haben mich doch angegriffen, außerdem haben sie Almut vergewaltigt und getötet!“ Aber alle seine Einwände halfen ihm nichts! Der Anführer der Schergen sagte nur: „Hast du dafür Zeugen? - na also!“ Sie schleppten ihn zur Türe hinaus und einer der Büttel schlug mit einer Peitsche auf ihn ein, weil er nicht parierte.
Inzwischen hatten sich einige Dorfbewohner der eingefallenen Truppe entgegengestellt. „Gebt Zoarn heraus!“,skandierten sie lautstark.
„Was seid ihr bloß für ein Pack?!“, rief der Oberbüttel. „Verzieht euch, sonst seid ihr alle dran. Wir halten nur die Ordnung aufrecht“, drohte er und schwang dabei seine Lanze über den Köpfen der Leute, die lediglich Sensen und Dreschflegel zur Verfügung hatten. „Seht euch vor, der Obrigkeit tritt man nicht bewaffnet in den Weg!“.
Doch der Schulte gab nicht gleich nach. „Wo bringt ihr ihn denn überhaupt hin?“
„Er kommt in den Turm, zu den anderen Widerständlern, und wenn sich herausstellt, daß er ein Mörder ist, werden ihm Arme und Beine ausgerenkt, damit er sich nicht mehr bewegen kann, dann wird er ausgeweidet, mit Pech bestrichen und verbrannt. So geht es allen Übeltätern! Also reißt euch zusammen und nehmt Abstand, von solchen zwielichtigen Elementen wie diesem Zoarn!“
Nachdem Gudrun gehört hatte was mit ihrem Liebsten geschehen sollte, fiel sie erst vor dem Oberbüttel auf die Knie und dann in eine gnädige Ohnmacht. Alss sie wieder zu sich kam, war der Trupp, zusammen mit Zoarn, längst über alle Berge. „Ich habe es immer geahnt, daß sich dieser unbeugsame Mann eines Tages mit der Königin und ihren Grafen anlegt. Was hat er bloß mit diesen Reichstümlern zu tun, die jetzt überall Unruhe stiften?“ Sie heulte wie ein Schlosshund, dann meinte sie etwas entkräftet: „Gibt es denn gar nichts, was wir für ihn tun können?“
„Wir gehen alle zum Prozess!“, rief Bauer Björn und die anderen stimmten zu. „Ja, das sind meistens Schauprozesse, mit anschließendem Strafvollzug, damit die einheimische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt wird. Das tun die nicht im Geheimen – also werden auch wir mit ansehen können, was da vor sich geht!“ Das hörte sich zwar ganz nach einem schwachen Trost an, aber vielleicht konnte man sich als Volk noch einmal bemerkbar machen und bei den Gerichtsherren ein schlechtes Gewissen erzeugen.