Schicksalhafte Begegnungen

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von Lara Preis

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Kaffeeduft erfüllte das Haus und würde zeitversetzt die übrigen Familienmitglieder peu à peu an den reichlich gedeckten Frühstückstisch locken. Wie jeden Morgen hatte Winfried die erste Mahlzeit des Tages vorbereitet. Er schreckte gerade ein paar braune Eier unter fließendem Wasser ab, als die Vorhut den Esstisch erreichte.
„Hi Paps.“
Seine Tochter schien ihren Schlafrhythmus von ihm geerbt zu haben und kam morgens entsprechend gut aus dem Bett.
„Jetzt nimm dir doch wenigstens mal fünf Minuten zum Essen.“
Milka verschlang mit wenigen Bissen ein schnell geschmiertes Marmeladenbrot, bevor sie die große Umhängetasche in die Hand nahm und in Richtung Haustür eilte. Entgegen ihres auffälligen Namens, der vielleicht das Gegenteil vermuten ließ, war sie sehr schlank, aber dennoch gut proportioniert. Die entsprechenden Vergleiche mit jener Schokoladenmarke lernte sie im Laufe der Zeit positiv für sich zu nutzen. Trotz alledem hätte es ein anderer biblischer Frauenname auch getan, wenn schon einmal die Kinder von Pastoren unbedingt aus jener heiligen Schrift heraus benannt werden mussten.
„Sehen wir uns eigentlich heute Abend?“
„Paps, ich muss doch zum Training!“
Trotz nicht vorhandener genetischer Vorbelastung war aus seinem Mädchen tatsächlich eine Hobbysportlerin geworden. Milka spielte leidenschaftlich gerne Hockey und durfte sogar seit neuestem die Kapitänsbinde tragen. Ihre Jugendmannschaft steuerte zurzeit unaufhaltsam der Meisterschaft entgegen, dem nächsten Ziel einer Sechzehnjährigen, die auch in anderen Lebensbereichen sehr ehrgeizig sein konnte.
„Hey Winnie, jetzt guck ihr doch nicht so traurig hinterher.“
Selbst kurz nach dem Aufstehen sah Marina bereits wie eine nicht gealterte junge Frau aus und daran sollten auch ihre reifen einundfünfzig Lebensjahre nichts ändern.
„Gestern saß sie doch noch auf meinem Schoß und nun stand da gerade eine erwachsene Frau vor mir …“
„So ist halt der Lauf des Lebens, aber keine Sorge, denn ich werde heute Abend in der ersten Reihe sitzen und dich wie ein verliebter Teenager anhimmeln.“
„Bloß nicht.“
Winfried setze sich zu seiner Frau an den Tisch und genoss gemeinsam mit ihr das Frühstück, wobei die Eier nach Marinas Geschmack etwas zu hart geraten waren.
Mutter und Tochter sahen sich recht ähnlich. Beide besaßen ein gewinnendes Lächeln und verstanden es manchmal nur zu gut, diese Mimik strategisch geschickt einzusetzen.
Seine Frau hielt ihm regelrecht den Rücken frei. Nicht nur zu Hause kümmerte sie sich um viele Dinge, auch in der Kirchengemeinde war sie mit ihrer Tatkraft nicht mehr wegzudenken. Insgeheim würde Marina jedoch wieder gerne in ihrem erlernten Beruf als Floristin arbeiten und ein unabhängiges Einkommen beziehen, aber dies konnte sie Winfried einfach nicht antun, zumal die meisten Gemeindemitglieder in diesem Punkt einen klaren Standpunkt vertraten. Letztendlich waren es ja auch deren Mitgliedsbeiträge und Spenden, die eine Entlohnung des Pastors erst ermöglichten. Das hübsche Einfamilienhaus in dem sie lebten, gehörte einem Unternehmer, ebenfalls zahlendes Schaf der Herde. Lediglich die Nebenkosten stellte er ihnen monatlich in Rechnung.
„Ach, stehen wir auch schon auf?“
Hinter den zerzausten Haaren verbargen sich zwei Schlitze. Sie wurden nur sehr langsam immer größer, denn die Gewöhnung an das Tageslicht schien eine größere Herausforderung zu werden. Aaron, das Nesthäkchen, schlurfte an seinen Eltern vorbei und holte eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank.
„Ich habe doch heute erst zur zweiten Stunde.“
Wie beim Abspielen einer Zeitlupensequenz gesellte sich der Vierzehnjährige zu den beiden übrigen Familienmitgliedern. Eine Scheibe Brot schwebte auf Aarons Brettchen, gefolgt von Wurstaufschnitt, der sich wie eine Decke darüber legte. Das Ganze wurde dann unerwartet schnell zusammengeklappt und verschwand häppchenweise in dem Mund des Teenagers.
Im Gegensatz zu seiner knapp zwei Jahre älteren Schwester hielt sich der Ehrgeiz bei ihm in Grenzen. Auf der Gesamtschule versuchte er mit dem geringsten Mitteleinsatz den bestmöglichen Erfolg zu erzielen, was in Kürze immerhin zur erfolgreichen Versetzung in die neunte Klasse führen würde.
„Entschuldigt mich, aber ich muss los. Kannst du bitte den Tisch abräumen.“
Marina grinste und gab ihrem Mann einen Abschiedskuss auf den Mund.
„Haben denn etwa die Heinzelmännchen heute frei?“
Winfried wurde etwas verlegen, fand nach kurzer Suche seinen Autoschlüssel und verließ anschließend nahezu geräuschlos das Haus.

Um kurz nach acht betrat er den Arbeitsplatz, nachdem zuvor der Briefkasten von ihm geleert worden war. Das Kirchengebäude mit dem großen Gottesdienstsaal befand sich direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Eine stattliche Million hatte der Neubau gekostet und verfügte sogar über ein im Boden eingelassenes Taufbecken. Von seinem Schreibtisch aus konnte Winfried die Immobilie gut beobachten. Von dort drüben würde er bereits in wenigen Wochen arbeiten, denn dann war sein Umzug geplant. Das alte Gebäude sollte später einem Mehrfamilienhaus weichen, in dem man vorzugsweise Gemeindemitglieder zu fairen Mieten unterbringen wollte.
Eigentlich bedurfte die Ansprache noch eines letzten Schliffs, denn für den Abend war eine Großveranstaltung geplant, die sich vor allem an kirchenferne Personen richtete und daher besonders akribisch vorbereitet werden musste. Die Post durfte aber auch nicht vernachlässigt werden und gewann schließlich den Wettbewerb noch zu erfüllender Tagesaufgaben. Zwischen Rechnungen und Werbung fiel ein vergilbter Brief ohne Absender ins Auge. Vorsichtig wurde der Umschlag aufgerissen und anschließend seines Inhaltes entledigt. Ein sorgfältig zusammengefaltetes Blatt Papier kam zum Vorschein.
„Wer hat sich denn da einen Scherz erlaubt?“
Scheinbar wahllos angeordnete Striche verrieten nicht wirklich, was der anonyme Absender eigentlich beabsichtigte mitzuteilen. Winfried war kurz davor die Nachricht in den Mülleimer zu werfen. Plötzlich schienen sich die Striche jedoch langsam im Uhrzeigersinn zu drehen. Auch ein kurzer Blick aus dem Fenster und wieder zurück auf das Blatt sollte daran nicht ändern. Im Gegenteil, denn mittlerweile hatte die Rotation an Geschwindigkeit zugelegt. Wie eine kreisende Zielscheibe mit Ringen in unterschiedlichen Größen wirkte jetzt das Ganze und seine Augen konnten sich nicht mehr von dem Papier lösen.

„Gratuliere, Sie haben exakt in die Mitte getroffen!“
Stolz legte der ältere Herr seinen Bogen beiseite.
„Dann belassen wir es doch bei diesem Unentschieden!“
Seine Konkurrentin stand wieder neben ihm, nachdem sie zuvor die Zielscheibe aus nächster Nähe begutachtet hatte. Deutlich jünger, bekleidet mit Sandalen und einem dezent rosafarbenen Kleid, die scheinbar langen schwarzen Haare zum Dutt geknotet.
„Ich möchte aber weiterspielen … Wo waren wir eigentlich stehengeblieben?“
Der Mann schien anderer Meinung zu sein und setzte sich an einen kleinen zusammenklappbaren Tisch in unmittelbarer Nähe. Weit und breit war kein einziges Gebäude zu sehen, geschweige denn ein Fahrzeug oder irgendwelche Straßen bzw. Wege. Winfried dachte bereits darüber nach, wie man

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