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Wenn ich am Himmelszelt mit den
Sternen schreiben könnte, dann würde
ich deinen Namen als erstes schreiben wollen.
(von AngelaB. (28.06.2009, 21:06, https://www.bod.de/autorenpool/in-welcher-schriftart-und-welcher-schriftgroeße-schreibt-ihr-t7255.html )
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Darmstadt 09.04.2018
Hermann Falck: Verraten und ermordet
Von Kerstin Schumacher
DARMSTADT - Hermann Falck ist eines der unzähligen Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Wie so viele unschuldige Menschen ist auch der Darmstädter von den Nazis ermordet worden. Das Reichskriegsgericht verurteilte Hermann Falck zum Tode. Heute vor 75 Jahren wurde er in Brandenburg hingerichtet.
Sein Verbrechen bezeichnete das Gericht offiziell als „Wehrkraftzersetzung“. Falck hatte sich in seinem Tagebuch über den Krieg empört – und wurde verraten. Ein Kamerad stahl seine privaten Aufzeichnungen und übergab sie der Gestapo, nachdem Falck sich einem engen Kreis anvertraut hatte. Der Verrat war das Todesurteil für Hermann Falck.
• EIN LETZTER BRIEF
Folgende Abschiedsworte schreibt Hermann Falck am 9. April 1943, kurz bevor er hingerichtet wird, an seine Familie:
„Liebe Eltern, liebe Friedlis! Nun habe ich im Hier noch wenige Stunden Zeit. Und diese Zeilen sind endgültig meine Letzten. Ich werde nun noch das Abendmahl nehmen, und dann bin ich für die letzte Reise durch das dunkle Tor bereit. An diesem Ausgang bedauere ich euer Leid, denn ich werde ja gleich einem schimpflichen Verbrecher gezählt. (…) Ich selbst bin keineswegs unruhig, gerade werde ich meinen letzten Gang gehen, habe mir ja nichts vorzuwerfen. Ich weiß, ihr werdet meine sterblichen Reste dort beisetzen, wo Papas Mutter liegt. Weinet nicht. Denn der Herr hat meine Seele für stark genug befunden, daß er sie jetzt schon fordert. (...) Meine letzten Gedanken werden bei Euch weilen, bevor meine Seele ins All entschwebt. Ich grüße Euch nochmals und dieses Blatt trägt meine Küsse an Euch, Mutti, Papa und Hiesilein.“ (schu)
Geboren 1917 in Hannover, kommt Falck 1925 als Achtjähriger mit seiner Familie nach Darmstadt. Sein Vater, gebürtiger Heiner und begeisterter Kunstsammler, arbeitet zunächst als Direktor der Möbelfabrik Glückert, eröffnet dann ein Antiquitätengeschäft in der Karl- straße 20. Dort befindet sich seit 2011 ein Stolperstein, der an den stillen Gegner des nationalsozialistischen Regimes erinnert.
Überdurchschnittliche Sprachbegabung
Hermann Falck besucht das Ludwig-Georgs-Gymnasium (LGG) und zeichnet sich schon als Schüler durch seine überdurchschnittliche Sprachbegabung aus. Neben Latein, Griechisch und Hebräisch beherrscht er Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch. Nach dem Abitur am LGG absolviert er eine Ausbildung zum kaufmännischen Angestellten bei Merck, wo er bis zur Einberufung arbeitet.
Im Februar 1940 wird Falck eingezogen und aufgrund seiner guten Sprachkenntnisse von der Wehrmacht zu einer Dolmetscher-Einheit nach Laon im besetzten Frankreich versetzt. „Dort hat er wahrscheinlich Folter-Verhöre miterlebt“, sagt Peter Engels, der Leiter des Stadtarchivs. Weil viele Akten zerstört wurden, lassen sich über die Ereignisse nur Vermutungen anstellen.
Doch eins ist klar: Was der junge Mann dort erleben muss, lässt ihn bald am Krieg und dem Nationalsozialismus zweifeln. Kritische Gedanken hält er in seinem Tagebuch fest, was ihm schließlich zum Verhängnis wird. Am 8. September 1942 wird er verhaftet, am 16. Januar 1943 verurteilt und am 9. April 1943 – im Alter von 25 Jahren – mit dem Fallbeil hingerichtet.
Das Gericht der Wehrmachtkommandantur Berlin teilt den Eltern im Mai mit, dass „die Freigabe der Leiche Ihres Sohnes zur Beerdigung erst dann erfolgen (könne), wenn Sie sich verpflichten, die Bestattung ohne Feierlichkeiten, wie Aufbahrung, Predigt, Glockenläuten, Ministrantendienst, sowie alle sonstigen kirchlichen Ehrungen durchführen zu wollen.“ Weil Falcks Vater den Bedingungen zustimmt, kann der Sohn auf dem Alten Friedhof in Darmstadt beigesetzt werden.
Falcks Schwester Friedlis setzt unmittelbar nach Ende des Kriegs bei der Darmstädter Justiz „ein Verfahren in Gang (...), das eingestellt wurde, weil das Gericht den Hauptdenunzianten nicht aufzufinden bereit war“, wie es die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) in einem Beitrag über Falck formuliert. Am 9. April 1965, dem 22. Todestag, legte der Kulturdezernent und spätere Oberbürgermeister Heinz-Winfried Sabais einen Kranz am Grab Hermann Falcks nieder. Sabais nahm in seiner Ansprache Bezug auf die Inschrift des Grabsteins „Menschsein heißt Kämpfer sein“ und wies auf den Mut dieses Menschen hin, „den man in die Reihe der Tapferen des 20. Juli 1944 zählen könne.“ Von der Familie wohnte nur Falcks Schwester Friedlis der Gedenkfeier bei. Der Vater war schon 1953 gestorben, die Mutter in der Brandnacht am 11. September 1944 ums Leben gekommen.
Hochhuth plante Verarbeitung zu einem Drama
Der Schriftsteller Rolf Hochhuth plante offenbar, das Schicksal Hermann Falcks anlässlich des Stadtjubiläums 1980 zu einem Drama zu verarbeiten. Das Stück sollte heißen: „Falck – einer von 16 000“, wurde aber nie aufgeführt. „Nach heutigen Maßstäben hätte Hermann Falck wohl ein Ehrengrab erhalten“, sagt Engels.
Doch im Laufe der Jahre geriet Hermann Falck in Vergessenheit. Zwar war Falck ein Gegner der Nationalsozialisten, der mit seinen Tagebuchaufzeichnungen persönlichen Widerstand leistete, doch politisch aktiv war er nie – und stand deshalb nicht im öffentlichen Fokus wie etwa Claus Schenk Graf von Stauffenberg. „Im Grunde war er völlig unbekannt“, sagt Engels.
Nur so ist zu erklären, dass sein Grab im Jahr 2001 abgeräumt wurde – aus Unwissenheit. Nach dem Tod von Friedlis, die die letzte Ruhestätte ihres Bruders gepflegt hatte, fiel das Grab zurück an die Stadt. „Inzwischen sind die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung sensibilisiert“, sagt Engels, „Aber damals wusste eben keiner, wer Hermann Falck war“, erklärt Engels.
Dass das Grab verschwunden ist, fiel denn auch viele Jahre niemandem auf – erst im April 2011 hakte die Darmstädter DFG-Gruppe bei der Stadt nach. Um das Gedenken an das NS-Opfer zu sichern, ließ die Stadt auf deren Anraten eine Gedenktafel an einer Mauer im Alten Friedhof anbringen. Seit Januar 2014 erinnert diese nun an Hermann Falck – an einen friedliebenden Menschen, der niemandem je etwas getan hat und dessen Verhängnis es war, seine Gedanken einem Tagebuch anzuvertrauen.
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Wenn einer sich anschickt zu faulenzen,
so lasst ihn.
Er ist zumindest in einer Ruhephase, wenn nicht sogar dabei sich auszuruhen. Sollte er ruhen, so tut er gewiss keine Unmenschlichkeiten und gar überhaupt nichts Böses. Das heißt, wer Ruhe wart, befördert das Gute.
Wenn ich schreibe -auf einen Zettel, meine Kladde, oder am PC- und bin ehrlich, ohne böse Absichten, Hintergedanken, oder grausige Absichten -aber unbequemes, so kann es Betroffenen gereichen zu Unmut und Hass!
Wie geschehen dem sechsundzwanzigjährigen Darmstädter Herrmann Falck.
Er, der nichts tat, als seinem Tagebuch seine Gedanken anzuvertrauen, geriet in große Gefahr.
Einem kleinen Kreis Vertrauter sprach er zu, was ihn beschäftigte, und was ihm in Gedanken kam.
So wie den Geschwistern Scholl, war der stille, liebenswerte Hermann Falck dabei aufzuschreiben, was ihm zu der Zeit wichtig schien.
Der im Stillen, jedoch deutlich in der Sprache, ausformulierte Text in seinem Tagebuch (ohne Aktivitäten außerhalb!) war einem Denunzianten aus dem Freundeskreis Ärgernis genug.
Er meldete der GESTAPO die Existenz dieses Tagebuchs und der Texte, die darin geschrieben standen, er aber nur vom Hörensagen kannte. Er richtete damit seinen Freund. Hermann Falck wurde (gänzlich zu Unrecht!) verurteilt wegen „Werkraftzersetzung“ und am 9. April 1943 durch das Fallbeil enthauptet und starb.
Kann denn nun behauptet werden, ein Tagebuchtext hätte Hermann Falck hingerichtet?
Nein, mitnichten!
Die Bereitschaft mitzumachen, was Tod und Verderben brachte -so wie bei Radikalen heute-, die Mitläufer und Unkritischen.
Den Tod brachte Hermann Falck alleine die Aussicht auf Besserstellung, eigene Verschonung, Verantwortungslosigkeit und unkritische Haltung. Das Leben nahm ihm -dem begabten, nachdenklichen- die Denunziation, der Verrat.
Der 9. April sollte zu einem Gedenktag für alle werden, die Verantwortung übernehmen, mutig sind und Unrecht widersprechen.
Bemerkung: Die Redakteurin Kerstin Schumacher beim Darmstädter Echo hat hier einen sehr guten Beitrag abgeliefert, finde ich. hhk.

Den zitierten Artikel fand ich im Darmstädter Echo vom 09. April 2018.
Ich finde, die Redakteurin Kerstin Schumacher hat hier einen bemerkenswerten Beitrag geschrieben.
Auf Rückmeldungen freue ich mich. hhk, 13. April 2018

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