Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren – 8. Erforderliche Katastrophen

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von Alf Glocker

Was macht ein Wesen mit Verstand? Es wird sich darüber klar was es ist, folglich auch darüber, was es für Bedürfnisse hat, dann versucht es, dem zu genügen. Das hat nicht immer etwas mit Vernunft zu tun! Es kommt vor allem darauf an, aus welcher genetischen Ecke es kommt. Und die sogenannte „Verantwortung“ tut ein Übriges, um alles gründlich durcheinander zu bringen.

Jeder, der erkannt hat, was er ist, wird seiner Bestimmung gerecht. Dann übt er seinen Verstand systemgerecht und versucht „etwas im Leben zu erreichen“. Das heißt, er versucht die Hierarchie hochzuklettern, denn zuhause warten hungrige Mäuler, die gestopft werden wollen – jede Familie ist quasi ihr eigenes Volk und jedes Mitglied versucht diesem „Volk“ eine Vorrangstellung einzuräumen.

Das zeigt sich schon bei sämtlichen Vorstufen intelligenten Lebens auf der Erde. Tiere von ungeheurer Niedertracht und Heimtücke sind entstanden. An Grausamkeit sind sie nicht mehr zu überbieten! Sie töten nicht einfach nur um zu überleben, nein, sie töten aus Spaß und sie spielen auch noch mit dem Tod ihrer Opfer, damit ihre Jungen das Töten erlernen.

Ein daraus entstehender Mensch wird ebenfalls nicht nur des Überlebens wegen töten. Er wird morden, ja, er wird foltern, er wird intrigieren, korrupt sein, sein Volk für ein paar Silberlinge verraten und er wird grundsätzlich über Leichen gehen, um seinen Vorteil zu wahren. Seine Fortpflanzungslust, die bei ihm ganzjährig, nicht nur saisonbedingt auftritt, wird er „Liebe“ nennen, und er wird dabei den Verstand verlieren.

Darüber muss man sich klarwerden, wenn man ein unschuldiger Gott ist, der nur Gutes im Sinn und überdies einen völlig anderen Entwicklungsweg hinter sich. Ein solcher Gott möchte das Schlimmste vermeiden und er passt auf, was seine Schöpfung hervorbringt, er lernt dazu: Er schickt Plagen! So geschehen im neuen Universum der Götter, die einst vierbeinige Ameisen waren.

In den Städten der Götter, auf ihrem Heimatplaneten, jenseits der virtuellen Zwischenzone, begann sich die Angst vor der neuen Schöpfung in Panik zu verwandeln. Denn es war etwas auf der Erde entstanden, das so nicht bleiben konnte. Überall wimmelten kuriose Wesen herum, die nichts Gutes vermuten ließen. Eigens ausgesuchte Götteragenten fuhren die Zukunft der Neuen auf und ab, und sie hatten Schreckliches zu berichten!

„Da zeichnet sich ein Horrorszenario ab!“, dachten sie laut und eindringlich. „Diese ‚Menschen‘, die da einmal aus dem Dunkel der Zeit hervortreten werden, sind grausam und rücksichtslos. Nichts ist ihnen heilig, außer vielleicht ihr fruchtbarer Glaube, der weder mit uns, ihren wahren Schöpfern, noch mit der Seele des Universums etwas zu haben wird. Sie werden Kriege um jeden Blödsinn führen: aus Glaubensgründen, aus Habgier, Mordlust, einer Frau wegen, oder um das Volk zu beschäftigen!“

Alle Teams, die mit der Erschaffung von Lebensformen beschäftigt waren, erschraken, nur VR-00-00-69, der Vordenker aller Vordenker, nickte weise. Er hatte wohl nichts Anderes erwartet. Als jedoch die Stimmen immer lauter wurden, die eine baldige Korrektur forderten, beugte er sich der Mehrheit und stimmte einem neuerlichen Beginn der biologischen Vererbungsketten zu. Denn, so argumentierte man um ihn herum:

„Die Männer dieser zu erwartenden Spezies werden Frauen vergewaltigen, die Frauen werden die Männer erpressen, sie werden sich gegenseitig, aus den fadenscheinigsten Gründen zu allen, von uns kaum erdenklichen Untaten anstiften, die möglich sind, wenn jede Charakterform zugelassen ist. Sie werden sich ausbreiten wie Heuschrecken, sie werden auf nichts achten und schließlich unweigerlich selbst ihren Planeten zerstören!“

Diese Argumente schienen unwiderlegbar für einen markanten Punkt zu sprechen, der jetzt, als vorläufiges Ende zu setzen war. Doch wie wollte man zu Werke gehen? Ein paar Tiere der Fauna sollten schließlich übrigbleiben, wenn nicht alles umsonst gewesen sein sollte. Ein wahrer Sturm der Gedanken setzte ein und schließlich entschied man sich für eine feurige Lösung. „Lasst die Vulkane ausbrechen!“, lautete das Ergebnis daraus – und gewaltige Sternenschiffe, in denen bis zu 20 000 Götter Platz fanden, brachten sich in Position. Dann sonderten sie eine tödliche Magnetstrahlung ab.

Und überall riss die Erde auf. In der nördlichen Hemisphäre des Planeten bildete sich ein mehrere tausend Kilometer langer Spalt in der Erdkruste, aus dem unaufhörlich flüssige Magma schoss! Die Kegel, entlang der kontinentalen Platten, taten ihre Schlünde auf und beförderten ebenfalls pyroklastische Ströme zutage und sie schleuderten außerdem 10 000 Meter hohe Rauchsäulen in die Luft! Die Erde verdunkelte sich! Vorher waren jedoch Archen unterwegs gewesen, die jene Arten gerettet hatten, die noch halbwegs nach einer gerade noch vertretbaren Lösung aussahen – sprich: aus denen man vielleicht noch etwas machen konnte, das ein bisschen mehr als verdorben und rachsüchtig war. Die dazu passenden Pflanzen wurden ebenfalls mitgenommen.

Die Katastrophe währte eine ganze Million Jahre lang, doch die Archen waren ebenfalls Zeitschiffe, die einfach über den virtuellen Raum auswichen und an der entsprechenden Stelle für einen Neubeginn wieder in das erschaffene Raum-Zeit-Kontinuum eintraten. Aber die Erde war wüst und leer! Erst nachdem sich die Wolken verzogen hatten und die Luft gereinigt worden war, konnte man darangehen die Erretteten wieder auszusetzen. Das nahm ebenfalls geraume Zeit in Anspruch.

Mehrere 100 000 Jahre später zeigte sich dann erneut ein Bild des lebendigen Unfriedens. Alles hatte sich wieder entwickelt, wie es vorher gewesen war! „Aus diesem Erbgut ist nichts zu machen!“, behauptete das Team um 77-OLKTG, und die anderen Gruppen, die mit an der Bearbeitung der göttlichen Schöpfung waren, stimmten entnervt zu. „Überlassen wir sie ihrem Schicksal, oder radieren wir sie gleich aus?“, fragten die Verantwortlichen der gesamten Götterwelt. Doch VR-00-00-69 gab Folgendes zu bedenken:

„Betrachtet bitte nicht nur wie wir erschaffen wurden, betrachtet die Gesamtheit des Universums und verfolgt ganz genau, was z. B. mit Galaxien, Clustern und Superclustern geschieht!“ Neugieriges Gedankenschweigen setzte ein. „In unserem Teil des Kosmos, wo alles noch seiner natürlichen Wege geht, sind Tod und Verwüstung unser ständiger Begleiter – und wären wir nicht zu Göttern geworden, wir wären dem hilflos ausgeliefert. Die Seele des Ganzen ist niemals einschätzbar!“

Dem Argument konnte sich keiner verweigern. „Wir dürfen uns jetzt nicht einschüchtern lassen“, meinte der Vordenker, „es liegt noch viel vor uns … und was wir brauchen, ist vor allem Nachsicht!“ Staunen wurde spürbar. „Ich denke“, sagte der Denker, „das Geheimnis liegt in der Zulassung des Bösen. Daß es dominieren wird, scheint unausweichlich zu sein, aber lassen wir die zukünftigen Menschen lernen, was sie aus sich heraus wissen müssen, dann wird uns vielleicht einmal ein geringer Prozentsatz von ihnen übrigbleiben, mit dem wir sinnvoll kommunizieren können.

Gesucht ist das ganzheitlich denkende Individuum, das zwischen eigenen Ansprüchen und dem Wohl aller insoweit unterscheiden kann, daß es sowohl das Eine befriedigt wie das Andere, zum Wohl aller respektiert. Momentan sieht es danach aus, als könne ein Primat, der aus haarigen Ungeheuern entsteht, dem nie und nimmer gerecht werden … aber wir, ihre Götter, können später immer noch entscheiden, wer mit uns weitermachen darf!“

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