Spiegel

Bild von Monika Jarju
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Immer brauchte ich Spiegel im Leben. Schaufensterscheiben, Zugfenster kamen mir
gerade recht. Gesichter zeigten mich nicht. Eitelkeit wurde mir unterstellt, doch es war
anders. Ich traute meinem Dasein nicht. Der Drang hineinzuschauen wurde zur Obsession.
Mein Überleben hing von Spiegeln ab. An keinem Spiegel kam ich ungesehen vorüber.
Ich hängte sie in jeden Raum außer ins Schlafzimmer, im Traum wollte ich mir selbst
entkommen. Einmal blickte ich im Traum in einen Spiegel, ich sah meinen Hinterkopf
und erschrak. Tief verunsichert trat ich jedes Mal vor den Spiegel, ängstlich erwartete
ich seine Antwort: eine Entstellung, Verzerrung, eine Fratze meiner selbst zu sehen oder
eine leere Stelle. Jedes Mal gab der Spiegel Mich zurück, doch wie kann ich mir jemals
sicher sein?

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