Gefährlicher Sommer (Teil 25; Text 2) - Page 3

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von Annelie Kelch

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Un­terredung mit Katja noch Fragen an mich haben, dann finden Sie mich in der Küche.“
Sie nickte uns beiden zu, lächelte mit der Güte eines Engels auf uns herab, und verließ das Zimmer.
Herr Fuchs sprang auf, verbeugte sich, und ließ sich in einer Art und Weise zurück in den Sessel fallen, als hätte ihm die Konversation mit unserer Gnädigsten den letzten Nerv geraubt. Er saß einen Moment lang einfach nur wortlos da und starrte mich aus seinen blaustählernen Augen durchdringend an. Seine Pupil­len hielten meine verschreckten Sehorgane, die unentwegt in eine andere Rich­tung schielen woll­ten, beharrlich fest. Es war dieser ganz spezielle Blick, den ich von Kriminalen aus diversen Fernseh-Thrillern kannte: Er besagte in etwa: Ich weiß alles, und was ich eventuell noch nicht wissen sollte, das krieg ich auch noch raus. Darauf kannst du dich verlassen. Seine Augen waren dabei leicht zu­sammengekniffen. Mir wurde höchst ungemütlich zumute. Ich spürte, wie mir der Schweiß von den Schläfen perlte, was mir überhaupt nicht ähnlich sah – ganz im Gegenteil.
„Ziemlich heiß heute“, stellte der Kripomann grinsend fest.
„Wann hast du Helge Brandner das letzte Mal gesehen?“
„Äh, d-da, d-das muss ich wirklich überlegen“, stotterte ich verwirrt. „D-da-das ist wirklich schon eine ganze Weile her.“
Mir war vor lauter Aufregung doch tatsächlich entfallen, wann ich Helge zuletzt vor der (Augen-)Linse gehabt hatte. Mein Gehirn fühlte sich an, als bestünde es aus einem quabbeligen Klumpen Griesbrei. Ich musste mich mächtig zusammen­reißen, damit es mir wieder einfiel.
„Heute Vormittag“, stieß ich endlich er­leichtert hervor. „Als Hannes und ich aus ...“ Ich hielt mitten im Satz erschrocken inne und konnte gerade noch verhindern, dass ich mir mit der Hand auf den Mund schlug.
Verdammt! Beinahe hätte ich unseren Abstecher nach Lübeck ver­raten, liebe Christine. Herr Fuchs, der mit dem Rücken vor dem – gottlob kalten – Kamin saß, grinste, als kraulte Pinocchio ihm den Nacken.
„... äh, als Hannes und ich von Frau Gerlach kamen. Wir wollten Herrn Kröger beim Re­parieren der Drillmaschine helfen“, schob ich blitzschnell nach und blickte er­leichtert durch eines der großen Fenster auf den Hof. Meine Worte klangen selbst in meinen Ohren dürftig. Was soll's ... es war eh schon alles egal, liebe Christine.
Die Sonne war Hals über Kopf hinter den Wolken verschwunden. – Wegen meiner dummdreisten Lüge? Ich wagte nicht darüber nachzudenken. Die kanariengelben Blüten des üppig hän­genden Goldregens vor der Veranda flimmerten heftig vor meinen Augen, und ein flaues Gefühl zog mir schmerzhaft den Magen zusammen. Ich war erleich­tert, als Hannes ins Herrenzimmer stürmte. Er würdigte Herrn Fuchs keines Blickes. Es schien fast so, als hätte er den Kommissar gar nicht bemerkt.
„Mist! Mist! Mist“, schrie er. „Diese blöde Melkmaschine funktioniert mal wieder nicht. Einfach so! Mittendrin! Die Kühe haben auch schon die Nase ge­strichen voll von diesem unberechenbaren Ding! Sie gebärden sich wie verrückt vor lauter Milchdrang. Ihre Euter sind mächtig angeschwollen; sie platzen gleich.“
Und tatsächlich hörte man das drängende Muhen der Tiere, das man fast schon als Brüllen bezeichnen konnte, bis ins Herrenzimmer.
„Das ist doch die reinste Sabotage!“, fuhr Hannes aufgeregt fort. „Wo ist mein Vater?“
„Hier! Zu Befehl“, lachte Axel Krö­ger, der das Zimmer vom Flur aus betreten hatte. „Ich dachte, ich könnte mich endlich mal in Ruhe unseren Pferden widmen ... und nun das! Wo steckt Helge denn bloß wieder? Ist er immer noch nicht aufgetaucht? ,Kiel' hat sich ja wohl in­zwischen er­ledigt.“
„Ich wüsste auch gern, wo sich Herr Brandner aufhält“, mischte sich Herr Fuchs ins Gespräch.
Er verbirgt sich oben! In meiner Kammer! Im Klei­derschrank. Und will mich ermorden! Aber das kann ihm niemand beweisen!, brodelte es heftig in meinem Inneren, während ich hilf- und sprachlos in die Runde sah.
„Also gut! Sollte der junge Brandner bis Sonntagabend nicht wieder aufgetaucht sein, dann benachrichtigen Sie mich bitte umgehend“, sagte Herr Fuchs. „Ich muss zurück nach Lübeck.“
Als er mir zum Abschied die Hand gab, streifte mich ein aufmunterndes, flüchtiges Blinzeln, das niemand außer mir bemerkt haben konnte und das mich teils beruhigte, teils erst recht aus der Fassung brachte. Der Kommissar schien eine Menge zu wissen – nicht alles, aber eine Menge ... hoffentlich genug, um mich nichts ins offene Messer rennen zu lassen, dachte ich und wischte mir mit dem Handrücken erschöpft die Schweißtröpfchen von der Stirn.
Sonntagabend, reflektierte ich stur, Sonntagabend sind wir schlauer. Wenn Helge das Geld auf der Kanzel hinterlegt, können Hannes und ich beweisen, dass er an dem Mord an Knut zumindest beteiligt war. Ich muss bloß auf­passen, dass sich „Macheath“ mit der Knete nicht nicht aus dem Staub macht …
„Ich hoffe doch, dass wenigstens Ihre Drillmaschine wieder in Ordnung ist“, wandte sich Herr Fuchs grinsend an Hannes' Vater, bevor er die Verandatür hinter sich schloss, nachdem er uns mit einem Abschiedsblick aus seinen bemerkenswert ausdruckslosen blauen Augen bedacht hatte.
Kröger nickte zerstreut, während Hannes den Kommissar belämmert anstarrte. Mir war übel vor lauter Angst; mein Magenin­halt – die halbverdauten, überaus herzhaften Produkte der phänomenalen Koch­künste meiner oftmals ungenießbaren Großmutter Anita – überschlug sich wie das Wasser der Niagarafälle. Gleichzeitig fiel mir ein Felsbrocken vom Herzen, als der Streifenwagen vom Hof fuhr.
„Die Melkmaschine, Papa“, stammelte Hannes.
„Ich kümmere mich sofort darum“, sagte Kröger. „Du darfst für heute Feierabend machen, mein Sohn.“
„Übrigens, Katja“, begann Hannes, nachdem sein Vater außer Sicht- und Hörweite war. „Morgen Vor­mittag solltest du unbedingt vermeiden, den Hof zu betreten. So zwischen neun und elf.“
„Ja?“, fragte ich abwesend. Ich war noch ganz in Gedanken bei Herrn Fuchs und beschäftigte mich intensiv mit dessen verschwörerischem Blinzeln – und natürlich mit dem kleinen Mädchen, das wie ich von einem Verrückten durch den Wald gejagt worden war. Weshalb Helge wieder mal durch Abwesenheit glänzte, musste dem Kommissar doch mehr als eindeutig er­scheinen. Jedesmal, wenn er in Lachau auftauchte, schien der Hoferbe wie vom Erdboden verschluckt zu sein.
„Na ja, die gute Mathilde soll geschlach­tet werden. Sie ist alt und fett, die arme Sau, und darf keine Ferkel mehr be­kommen“, dröhnte Hannes in meine Gedankenwelt. „Ich würde dir nicht raten, dabei zuzusehen. Siehst du die vielen Blecheimer? Dort hinten, vor dem Schweinestall, neben der Holzbank! Heiner hat schon alles bereitgestellt. Und mit dem schweren Vorschlaghammer …
„Ich wandte mich um und strebte über dem knarrenden Parkett dem Saal zu. Nicht allein deshalb, weil ich Mathilde vor drei Jahren zu meiner Glücksbringerin auserkoren hatte.
Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, hörte ich Hannes rufen: „Aber das geht doch ganz schnell, Katja! Das merkt Mathildchen über­haupt nicht! Und dann der Speck und der tolle Schinken, den es danach gibt! Und erst die Steaks! Stell dir vor: Sie zerlegen Mathilde Stück für Stück und verfrachten sie in die Räucherkammer, die Gute, damit ...
Ich habe den ganzen Abend darüber nachgedacht, wie ich Hannes diese plumpe Gemeinheit heimzahlen könnte. Leider fiel mir nichts Sinnvolles ein, liebe Christine. Ich hielt es jedoch für wichtig, dass die Würde der erniedrigten und zum Tode verdonnerten Mathilde wiederhergestellt wurde. Das war das mindeste, was ich für sie tun konnte. Deshalb steht außer Zweifel: Hannes ist und bleibt ein Stiesel – wie er im Buche steht.
Und hier meine etwas rachsüchtige Übersetzung des alten Folkssongs
„Billy the Kid“:

„Weit draußen im Westen, die Knarre in der
schmächtigen Flosse, erledigte er seinen
ersten Mann; Billy war gerade mal zwölf …

Die hübschen Mexican Girls, sie sangen
so schön zur Gitarre: Die Ballade von Billy the Kid,
sangen den Blues ihres größten Helden unter
den Banditen, dessen Revolvergriff einundzwanzig
Kerben verhunzten, bevor er sein blühendes Leben
aushauchte.

In der Nacht bevor Billy starb, sagte er zu seinen
Freunden: Einundzwanzig Männer wurden von
meinen Kugeln durchsiebt; aber das gibt mir keine
Genugtuung. Sheriff Pat Garret ist der nächste.
Ihn trifft die zweiundzwanzigste.
Richtig glücklich werde ich erst sein,
wenn Garret in der Hölle schmort.

Aber das Schicksal wollte es anders mit Billy.
Zu später Stunde, in einer hellen Mondnacht,
beförderte ihn sein einstiger Freund Pat Garret
ins Jenseits. Das war das bittere Ende des
jungen Geächteten.

Es gab damals viele Burschen mit schönen,
klaren Gesichtern, die eine faire Chance verdient
hätten, aber zum Scheitern verurteilt waren und
den finsteren Zeiten nicht trotzen konnten.
Burschen, die, wie der arme Billy, vom Weg
abkamen und viel zu früh ins Gras beißen mussten.“

Noch am späten Abend betete ich inbrünstig: Möge Mathildes Fleisch zäh und bitter sein und keine Freude bereiten, möge Mathildes Fleisch zäh und bitter sein und keine Freude bereiten, möge Mathildes Fleisch zäh und ...

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