Traumhochzeit

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von Susanna Ka

Leise Orgelklänge, dann schwingt das das schwere Holztor nach innen und das Brautpaar tritt heraus.
Die ersten Schritte auf einem gemeinsamen Lebensweg.
Die Sonne lacht von einem italienischblauen Himmel, die Gäste jubeln und klatschen, die Blumenkinder verteilen den Inhalt ihrer Körbchen nach allen Seiten.
Reis und Rosenblätter umwirbeln die frisch Vermählten.
Ausgelassene Stimmung – Traumhochzeit.
Doch irgendetwas stört mich an diesem schönen Klischee.
Irgendetwas fehlt.
Gewiss, das äußere Bild stimmt. Er im dunkelblauen Anzug mit passender Fliege, sie im strahlend weißen Corsagenkleid eines Londoner Modeschöpfers, obenherum sexy, der Rock mit einer zwei Meter langen Schleppe.
Lächelnd schreiten sie die Kirchentreppe herunter. Arm in Arm. Und doch habe ich den Eindruck - jeder für sich. Als hätte sich jeder in einen eigenen Kokon gehüllt. Kein verliebter Blick, kein Kuss, auf den die Gäste so sehnsüchtig warten.
Lieben sie sich nicht? Oder ist es nur einfach nicht mehr in, Gefühle zu zeigen? Coolness heißt das neue Zauberwort. Distance zu allen Dingen.
Aber auch zu Partner am Hochzeitstag?
Bei der Feier im Gartenlokal spulen sie ihr Ritual ab, als hätten sie es geübt.
Die junge Frau strahl eine starke Präsenz aus. Sie leuchtet aus der Schar ihrer Gäste heraus. Ihr frisch angetrauter Ehemann gerät etwas in den Hintergrund, obwohl sie ihn untergehakt hält. Ein deutlicher Besitzanspruch. Sein Lächeln ist ein bisschen verschämt, unsicher, als wäre er zu falschen Zeit am falschen Ort.
Souverän plaudert die Braut mit ihren Mädels, hebt ihr Glas prostet in die Runde. Sie lächelt - Siegerinnenpose.
Beim Hochzeitstanz wirbelt sie mit schwingender Schleppe durch den Festsaal, reißt ihren Liebsten mit sich, und der muss sehen, dass er seine Beinarbeit unter Kontrolle behält.
Gekonnt stellt sie sich für den Fotografen in Pose, flirtet mit der Kamera, lächelt und drückt den Rücken durch, damit das Dekolleté nach vorn kommt. Es ist ihr Tag. Der Bräutigam ist nur Beiwerk, ein Statist. Deshalb steht er auch auf den auf den Hochzeitsfotos ein Stück weit hinter der Braut. Um ihren Glanz nicht zu schmälern.

„Das geht nicht lange gut.“
Lea, meine Freundin und Mutter des Bräutigams, setzt sich zu mir auf die Gartenmauer.
„Wirst sehen, in einem Jahr steht er heulend vor meiner Tür.“
Schon leicht angeschickert balanciert sie zwei gefüllte Sektgläser und reicht mir eines davon.
„Ich war genauso wie sie, genauso … so … habe auch beim Hochzeitstanz geführt.“
Tränen laufen ihr über die Wangen.
„Deshalb hat es mein Mann ja auch nicht lange ausgehalten."
Lea schnieft.
„Mein armer Kleiner …“
Wir prosten uns zu auf den 1,80 Meter großen armen Kleinen.
„Ach was,“ lacht sie dann,
„das ist sie Story von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen.“

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