Beim Arzt war ich zwar nicht, aber er hat mir was verordnet, denn ich stehe quasi praktisch unter ärztlicher Dauerbeobachtung, weil ich gesund bin! Das ist verdächtig! Und deshalb kümmert sich nicht nur ein Arzt um mich, sondern ein riesiges Ärzteteam. Man sorgt sich um meinen bedenklichen Zustand, der ja tatsächlich „bedenklich“ ist, weil ich ihn täglich be-denke! Und das sieht man mir an, man hört es mir an und es fühlt sich schlecht an – für alle, die mehr als genau wissen, wie sie mit sich zurechtkommen sollen, wo niemand mehr mit sich zurecht kommt. Zurecht kommt praktisch ja auch nur mehr der, der zu oft vorhanden ist und das gibt dann Beulen an der falschen Stelle, die man sogar vom Weltraum aus sieht ... er/sie/es hinterlassen Verwüstungen!
Diese Verwüstungen wiederum, sind überall spürbar: in der Innen- und Außenwelt, im Großen und im Kleinen, im Halben und im Ganzen, in der Schule und auf freier Wildbahn, die so unfrei ist, wie niemals zuvor. Aber das bilde ich mir eben bloß ein. In irgendeiner Wirklichkeit ist alles anders. Da wird alles gut, da werden die Dinge so gesehen, wie sie gerade gesehen werden, wenn man keine Brille aufzuhaben glaubt, die, wie man glaubt, auch nicht irgendwie gefärbt ist. Ich steigere mich in solche und noch absurdere Überlegungen hinein, ich fühle mich verfolgt, obwohl man mich ja (noch) gar nicht verfolgt, weil eben ganz andere als ich, nein, auch nicht verfolgt, weil sie stattdessen nur gar nichts werden. Es ist ein Jammer mit mir. Ich muss immer alles dramatisieren, auch wenn es überhaupt kein Drama gibt. Täuschungen! Täuschungen! Nein, Selbsttäuschungen ... Oder was??
Der Augenarzt sagt, ich könne nicht genau erkennen, was um mich herum vorgeht. Da sei zum Beispiel ein X, das ich für ein U halte – und auf meinen Einwand hin, ob da denn alle, ich betone ALLE übrigen Menschen mit ihm konform gingen, antwortet er mir doch glatt: „Es gibt viele mit ihren Sehstörungen!“ Ebenso ist es mit dem Ohrenarzt. Er redet mir in das was er für ein Gewissen hält: “Was sie da zu hören geglaubt haben, das hat niemand gesagt, und wenn es jemand gesagt hätte, dann hätte man da nicht hinhören dürfen, weil es keine offizielle Verlautbarung war!“ Das kitzelt aber stark und ich muss mich kratzen – am Allerwertesten. Ein bisschen zweifle ich ja schon daran, daß der Ohrenarzt schon einmal beim Augenarzt war. Wie kam er denn bloß in den Besitz seiner Zulassung?
Der Orthopäde rät mir, mein Standpunkt sei nicht akzeptabel, da man so gut wie nicht auf beiden Beinen gleichzeitig stehen könne, und sein Kollege, der Sportarzt, empfiehlt mir, mich bei den nächsten Olympischen Spielen nicht zu beteiligen, da ich mich für den Marathon-Rückwärtslauf ebenso wenig werde qualifizieren können, wie für das Untendurchgraben auf der Hürdenstrecke! Dabei wollte ich das überhaupt nicht. Nur weil ich sportlich aussehe bin ich doch noch lange nicht verrückt geworden. Aber das ist wieder eine andere Baustelle – die sich noch schwerer ergründen, hinterfragen lässt als die anderen. Beruhigend ist nur, daß die Kasse sämtliche Therapien, die mich tangieren, sofort bezahlen würde (heimlich versteht sich). Wahrscheinlich würden sie mich auch sofort in ein Sanatorium einweisen lassen, wenn das zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon möglich wäre.
Meine viele Millionen Therapeuten, die ich für komplett behandlungsbedürftig halte, schlagen mir die tollsten Medikamente als Betablocker vor. Ich soll da unter anderem Schlangengift gegen Spinnenbisse und Spinnengift gegen Schlangenbisse einnehmen. Gegen Würgeschlangen wird mir gewöhnliches Schmieröl empfohlen. Gegen meine permanenten Wachzustände (ich habe sogar Wahrträume) wollen sie mir Schlaftabletten verschreiben, die eine Art heilsamen Komazustand auslösen sollen, damit ich wieder voll handlungsfähig und wahlweise Wahl weise werde. Soll heißen, daß ich wieder richtig lesen lerne, also X für U, Aua für Freu und Hilfe für Helfen. Meine Schiefertafel (je schiefer desto besser) soll ich von nun an mit mir herumtragen, dann könne ich für jeden, der mich nicht versteht, ein großes „JA“ darauf schreiben ... auch wenn ich vorher „Nein“ gesagt habe. Ich Armer!