Bekanntschaftsanzeige / Partnergesuch

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von Alf Glocker

Nicht nur aufgrund meiner langjährigen anthropologischen Forschungen habe ich jetzt ein ganz neues Schönheitsideal entwickelt, dem ich nur allzu gerne folgen würde, insofern man mich irgendwo gnädig erhören könnte. Es ist nach den Kriterien der reinen Vernunft gestaltet, zeitlos, wertvoll und dermaßen zukunftsträchtig, daß ich mir eine baldige Fortpflanzung wünsche.

Natürlich weiß ich, daß ich in meinem Alter nicht unbedingt die größten Chancen habe, aber der Typus, den ich suche, ist eventuell sogar käuflich zu erwerben und mir von daher doppelt sympathisch. Es handelt sich dabei um eine Frau, die nicht hauptsächlich durch körperliche Attraktivität besticht – obwohl ich finde, daß dies sowieso Ansichtssache ist – sondern vor allem durch ihre inneren Werte.

In einer Zeit, in der praktisch alles durcheinandergeraten ist, stellen diese „inneren Werte“ für mich das höchste erstrebenswerte Ziel dar, denn hier, wo man das Ungekonnte als gekonnt bezeichnet, wo Sportler nur dann welche sind, wenn sie zur Hälfte aus Doping bestehen, und Politiker durch fatale Irrtümer auffallen, möchte ich der Beständigkeit huldigen. Gelingen kann dies jedoch nur, wenn ich mich selbst zu mentalen Höchstleistungen ansporne.

Es müssen Höchstleistungen auf dem Gebiet der Ekelbekämpfung sein, Höchstleistungen, die mich persönlich als menschlich im übermenschlichen Sinne und als triebhaft im demütigen Bereich auszeichnen. Ich muss bereit sein, zu lieben! Zu lieben, zu lieben, zu lieben und sonst gar nichts. Und es muss sich um eine Liebe handeln, die keine Bedingungen stellt – außer natürlich die Bedingung, keine Bedingungen stellen zu wollen.

Gelingen wird mir das durch eine klug ausbaldowerte Partnerwahl, bei der ich mich nicht scheue, auch, oder eben gerade, streng archaische Formen zu bevorzugen. Dabei muss ich zugeben, daß ich ein Neandertaler-Fan bin! Dieses herrliche Geschöpf war dermaßen bewundernswert widerstandsfähig, daß praktisch ungeschiente Knochenbrüche bei ihm heilten und er, selbst unter den widrigsten Bedingungen noch, wenn auch nicht ganz mühelos, überleben konnte.

Was also könnte erstrebenswerter sein, als eine Neandertalerin, oder mehrere von ihnen zu ehelichen und zu schwängern?! Ihre riesigen, dicken Nasen, ihre kurzen Beine, ihr watschelnder Gang, ihre gefährlich dreinblickenden Augen, aus denen mich der Überlebenswille anspringt, und ihr einfach strukturiertes Gehirn, das nahezu alles mit sich machen lässt, bringen mich zum Träumen! Und dazu noch die groben, unempfindlichen Hände, samt den putzigen Überaugenwülsten ... ist das nicht wunderwunder- undsoweiter ...?!

Solche „Frauen“, nein, NUR solche Frauen werden mir entschlossene Söhne gebären, auf die ich mit Recht stolz sein darf und ihre Töchter werden der Trost meines Alters sein, denn sie werden so wenig von mir, einem völlig degenerierten Zivilisationsmenschen haben, wie nötig ist, um meinesgleichen nach und nach zu beseitigen. Aufgrund der Vererbungslehre wird es meinen Genen, Gott sei Dank, nur in ganz geringem Maß gelingen, meine Eigenschaften zu vererben. In dieser Hinsicht kann ich also aufatmen!

Aber damit werde ich es nicht genug sein lassen! Gewissenhaft werde ich meine Kinder, die vielmehr die Ableger meiner über alles geliebten Frauen sein werden, die wichtigsten Dinge des Lebens lehren: den Glauben an Gott und wie man sich ohne Begabungen durchschlägt! Aber Letzteres wird ihnen leichtfallen, denn in einer dekadenten Gesellschaft zählen Begabungen ohnehin nicht sehr viel! Ich kann mir heute schon vorstellen, wie glücklich ich morgen sein werde ...

Allen dakadenten Frauen unserer Zivilistaion rate ich dringend an, ebenso wie ich zu verfahren: Nehmt euch „richtige“ Männer und dient ihnen willfährig, denn darin ist die Erfüllung begründet, gegen die wir uns in der Zeit des allgemeinen Niedergangs nicht mehr wehren sollten. Reißt euch um die Helden der Einfachheit, ruft nach ihnen so laut, daß man euch nicht mehr überhören kann, notfalls bildet Lichterketten, aber setzt auf jeden Fall durch, daß ihr in den Genuss dieses wertvollen Samens kommt, der diese pervers-komplizierte Welt endlich verändern wird!

*

Wünschelrouten

Oh Julia-Äffchen sei mir hold,
du bist wertvoller als Gold!
Nur mit dir möcht ich dran glauben,
daß auf dem Dach die weißen Tauben
schlechter schmecken als die Spatzen,
die in unseren Träumen platzen.

Oh Romeo-Gorilla-Mann,
du schlägst Frauen in den Bann,
die sich gern emanzipieren -
um die Unschuld zu verlieren -
auf die altbewährte Weise
ausgefahr'ner Einbahngleise.

Oh Gott, oh Gott, oh Gott, oh Gott,
sag einmal „hü“ und zweimal „hott“,
dann krachen wir mit unserem Wagen
mitten in die schönsten Lagen,
wo der Wein der Wahrheit wächst -
sagt jetzt nicht, das sei verhext!

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