Die Aspergill-Grotte - Page 3

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Uschi zur Stelle. Aus einer Box zupft sie unnachahmlich prompt 2 Tücher, und reicht sie mir mit einem umwerfenden Lächeln. Danke, oh Herr, danke für diese Frau, für dieses Lächeln, für die Nähe zu ihr. Ich kann sogar ein wenig den Duft, den sie heute trägt, einsaugen. Unverhohlen springt er mich direkt an, der leicht zitrisch-ambrierte Duft, opulent, aber nicht enervierend aufdringlich, luxuriös, fruchtig und, ja, floral - es ist ohne jeden Zweifel Boadicea the victorious, ich erkenne ihn wieder, hat ihn doch meine geliebte Mutter jahrelang getragen. Es hat mich ja längst besiegt, dies Oberkärntner Mädel, was bedarf es da denn noch eines betörenden Duftes? Natürlich wird der wahre Weinliebhaber, bei Verkostung eines Rebensaftes, anmerken: Hier gehört kein opulentes Parfüm zum Programm. Ein No-Go! Eine leichte, dezente Duftnote, ja... Aber solch ein Spektakel? Das ziemt sich doch nicht! Aber ich pfeife auf diese Wein-Puristen mit all ihren Regeln. Ob sublim oder heftig, mich betört diese Frau und dieser Duft. Und es schmälert nicht einmal im Ansatz meine Verkostung. Durch diese Stromschläge kann ich mich eh nicht sonderlich auf den Wein konzentrieren. Ach der Körper wehrt sich heftig, denn die Schläge, die sind deftig! Wenn die Wangen leicht vibrieren, die Lider unregelmäßig zucken, es permanent in den Zehen kribbelt, mein Magen stark rebelliert und sich auf dem Nasenrücken Schweißperlchen sammeln, so scheint mir eine zumindest oberflächliche Überprüfung der derzeitigen Situation sehr angebracht. Ich frage mich also wieder: Will ich all das? Mein Blick fällt auf das Model aus Österreich. Aaaah, jetzt weiß ich wieder, warum ich hier bin. Uschi!

Nun, was mich betrifft, ich bin dieser Kärntner Hexe total verfallen, ich würde sogar verfaulte Zähne und Monsterbitteratem bei ihr akzeptieren. Mein Urteilsvermögen scheint sowieso hinüber zu sein, denn diese ganz spezielle elektrische Erfahrung wühlt meinen kompletten Organismus auf, bringt alle Atome durcheinander. Einen weiteren Schluck werde ich gegebenenfalls nicht überleben. Aber ich hatte ja, zum Glück, den Vertrag unterzeichnet. So würde Herr Purgatori mitsamt all seiner vier oder fünf Söhne keinerlei Haftung zu tragen haben. Denn wenn Etzwald Purgatori Ungemach widerfährt, trifft es ja auch, indirekt, meine holde Schönheit, die sich nun zu meinem Leidwesen anderen zuwendet. Drei Personen sind schließlich neu hinzugekommen, dafür mussten 3 torkelnd hinaus wankende Zombies mit hochtoupierten Haaren in die Ungewissheit da draußen weichen, laut furzend. Lavendel-Wolken werden flott hinterher gesprüht. Die Fee hatte bereits die 4. oder 5. Dose in Arbeit. Der Vorrat an Lavendel-Sprühdosen scheint unerschöpflich zu sein bei Purgatori & Söhne. Die drei Neuen bekommen ihr Klemmbrett ausgehändigt.

Niemand scheint wirklich erstaunt, verblüfft oder verwundert darüber zu sein, dass alle Protagonisten hier im Raum, in der zitternden rechten oder linken Hand diese Sensation eines Weinglases haltend (mit dünnen Schläuchen darin), leicht kokeln, merkwürdig verbrannt riechen und mitunter kurz aufjaulen. Und diese Haare. Auch mir stehen sie zu Berge. Ein Spiegel in mattem Grün legt Zeugnis ab. Ich sehe wie ein Voll-Alki aus, der seit etwa 14 Tagen im Mega-Rausch vor sich hin dämmert, in keiner Weise an Körperhygiene interessiert. Einen Kamm hat dieser Mensch dort im Spiegel sicher schon seit Monaten nicht mehr in Händen gehabt. Seltsam, auch an oder sogar in meinen Zähnen zieht und nagt es. Mit jedem kleinen Schluck pulsieren meine Schläfen, die Wangen zucken unkontrolliert, die Augen quellen stark hervor, und die Sehkraft fährt auf knapp unter 50 % hinunter. Aber der Wein ist superb! Exzellent. Die holden Engelsaugen erfassen mich. Die Spittal-Frau kommt wieder auf mich zu! Ah! Aufmerksamkeit. Wertschätzung. Zuwendung.

„Wieso probieren Sie nicht einmal diesen Wein hier, mein Herr?“ So kess und auch etwas nonchalant reicht sie mir ein anderes Glas. Wieder ist bereits eingeschenkt worden. Sie säuselt: „Dies ist ein Batonnage Magnum aus dem Jahr 2013, ein edler Roter vom Neusiedler See, Cuvée aus Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch und natürlich Merlot, ein wirklich vorzüglicher Österreicher!“ Ja, ich kann bestätigen, diesen Österreicher darf man getrost empfehlen. Im Nachgang ‘metallisch’, wie eigentlich immer bei dieser Verkostung. Aber sonst... Ce vin est très bon. Da ist sicherlich auch schon eine Art Gewöhnung dabei. Ich stelle mich auf die Schläge ein, und ich erwarte die Schläfenreaktion, das Pulsieren der Schläfenlappen, das heftige Vibrieren der Wangenpartien, das Stolpern meines Herzmuskels. Mutig trinke ich in kleinen Schlucken.

Ich spüre diese 15,5 % Alkoholgehalt der hochreifen Trauben. Etwas schwindlig wird mir gerade. Ich sehe aber nirgends eine Sitzmöglichkeit, sei es auch nur ein Hocker. Nichts. Also halte ich mich am kleinen Tischchen fest, trinke tapfer vom Wein, und erhalte folgerichtig Schlag auf Schlag. Das fetzt in den Schläfen, mein Herz schlägt unregelmäßig, die Eingeweide begehren auf. Unwillkürlich setze ich einen schweren Koffer ab. Er stinkt bestialisch. „Das ist völlig normal, der Herr...“ kuschelt sich diese wundervoll klagende Stimme an meinen Gehörgang an. Und sie wiederholt: „Völlig normal...“ Mir ist der infernalische Gestank sehr peinlich. Aber mein Engel versprüht aus einer flott hervor gezauberten Dose etwas Lavendel-Duft. Wohltuend. Dankbar lächele ich sie an. Dieses Lächeln wirkt, sagt der Spiegel mir, verkrampft. Etwa so, wie wenn ein Gefängnis-Geistlicher einem Delinquenten kurz vor der Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl Mut zuspricht. Und so in etwa würde dann der Todeskandidat wohl „lächeln“. Und ganz ähnlich wie bei einer Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl riecht es auch hier in dieser Grotte. Verbrannt, süßlich verbrämt, metallisch. Lavendel herrscht aber vor. Nicht, dass ich bereits bei einer solchen Veranstaltung zugegen gewesen wäre... Einer Hinrichtung. Bewahre. Aber ich stelle es mir exakt so vor. Ich frage mich, in zunehmender geistiger Umnachtung, ob solch eine Göttin wohl auch mal pupsen muss? Wahrscheinlich eher nicht. Selbst dann nicht, wenn sie selbst an einer "Electric Boogaloo-Weinverkostung" teilzunehmen bereit wäre.

Ich muss weitere Flatulenzen unbedingt vermeiden. Das kostet Punkte bei meiner Angebeteten, denke ich. Tapfer, mutig und unverdrossen halte ich das edle Glas in Händen, ab und an trinke ich einen Schluck. Die Gläser sind hier alle wohlgefüllt. Es gibt nicht, wie bei Verkostungen üblich, wenig Wein in großen Gläsern. Auch fehlt völlig, an jedem Verkostungs-Tischchen, der exemplarische Spucknapf. Daher wird, das kann ich durch den grünen Schleier noch gerade so sehen, meist in den Weinkühler gespuckt. Meiner steht

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Kommentare

24. Apr 2020

Wie wunderbar geschrieben, sehr unterhaltsam und kurzweilig. Und ich glaube, die Uschi ist mir bekannnt. ;)
Tolle Geschichte!

Herzliche Grüße
Ella

25. Apr 2020

Stimmt, Ella - Du kennst die Uschi.
Vielen Dank für Dein Lob. Gruß von
Gherkin

28. Apr 2020

Liebster Gherkin,

es ehrt mich, wenn Du mich so nachhaltig sinnlich beschreibst, wenngleich ich persönlich einem netten Château Ausone
Saint-Émilion 1er Grand Cru Classé A 1999 vielleicht doch den Vorzug gäbe.

Alleine der sprichwörtlichen Vollmundigkeit wegen...Das Château Ausone, das wohl beste Weingut des Bordelais, dem mit diesem ganz besonderen beispiellosen Cuvée, mit dichter purpurner Farbe und einer unglaublichen Fülle an Aromen, von zarter Eiche über getrocknete Früchte bis hin zu reifen Heidel- und Brombeeren, ein ganz besonderer Tropfen gelang der auch durchaus als Wertanlage angesehen werden darf.

Ich hoffe Deine Geschmacksnerven haben sich mittlerweile regeneriert und freue mich in Deine Geschichte eingegangen zu sein.

Herzlich liebe augenzwinkernde Grüße zu Dir
vom Wienermädel

30. Apr 2020

Einen freundlichen Gruß entbiete ich, liebreizende Uschi,
hast wohl Ella erst mal vorgeschickt, was? Den von Dir
beschriebenen Wein könnte ich mir nicht mal leisten,
wenn ich 3 Jahre drauf sparen würde. Exzellent. Dass
Du die Scham überwunden hast, und Dich zu Deiner
Geschichte äußerst, halte ich für mutig. Und ich muss
sagen, um Dir die Schamröte ins Gesicht zu treiben:
Doch, man kann aus der Entfernung verliebt sein. Das
Happy End bleibt uns verwehrt (der Altersunterschied),
aber sei gewiss: Mehr Huldigung als in der Aspergill-
Grotten-Story kann ich keinem Mädel zuteil werden
lassen. Ob nun Wien oder Spittal, es ist Deine Story.

Danke für die herzlichen, augenzwinkernden Grüße.

Immer der Deine, Gherkin (kann leider fast nur grotesk;
ich wünschte manchmal, ich könnte auch völlig normal)

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