„Hör mal“, sagte dereinst Hannibal Barkas nicht zu seinem Bruder Hasdrubal, „der Punische Krieg ist ja wohl in die Hosen gegangen – so blöd werden wir doch kein zweites Mal sein …?!“
„Das nicht", meinte Hasdrubal nicht, „aber angreifen müssen wir die Römer trotzdem, denn wir haben unserem Alten ewige Rache geschworen!“
Hannibal lachte: „Also, wie machen wir‘s?“
„Na“, sagte Hasdrubal, „wir brauchen ein Heer!“
„An wie viele Soldaten denkst du – und wie hoch werden die Kosten für das Material sein?“ Hannibal machte sich Sorgen, denn der 1. Punische Krieg war teuer genug gewesen, aber sein Brüderchen beruhigte ihn sofort: „Wir brauchen ungefähr 100 000 Soldaten und ca. 50 000 Soldatinnen, keine Kriegsschiffe, keine Elefanten, keine Reiter, keine schwere Infanterie und sehr wenig Ausrüstung … weil uns das alles die Römer bezahlen werden!“
Hannibal schlug sich die flache Hand auf die Stirn. Jetzt war er wohl wahnsinnig geworden, sein armer Bruder. Mit dem würde er nicht viel anfangen können, den würden nicht mal die Legionen vernichten wollen, wenn er Nachschub bringt, der war zu absolut nichts zu gebrauchen. Der große Feldherr wähnte sich alleingelassen … dabei war er gar kein großer Feldherr, denn er hatte einfach nur nichts kapiert. „Steinschleudern, Belagerungsmaschinen?“ phantasierte Hannibal, aber Hasdrubal beruhigte ihn sogleich. „Baal“ brummte er versöhnlich, „Baal, sonst nichts. Baal ist unser Gott, wir dulden keinen Gott, außer unserem, wer Baal lästert, muss umgebracht werden – und du, Hannibal, bist ab sofort sein Prophet! Man wird dich lieben!“
Hannibal musste sich setzen, ihm wurde schwindlig. So einen Blödsinn hatte er schon lange nicht mehr gehört. „Und damit willst du Rom erobern?“, stöhnte er.
„Damit, und mit der Mathematik“, triumphierte Hasdrubal. Hannibal schütte sich aus vor Lachen. „Komm, wir gehen in eine Taverne, das muss begossen werden. Nüchtern halte ich das nicht mehr aus … mein Brüderchen erobert Rom mit einem unbewaffneten Invasionsheer beiderlei Geschlechts, das von Gott geführt wird und mit Hilfe der Mathematik siegt – hahahahahahaaaa!! Willst du etwa den Römern am Abakus vorrechnen, daß sie uns freiwillig ihr Land überlassen, ihre Paläste, ihren Wohlstand, ihre … ach, was weiß ich?!“
Hasdrubal blieb gelassen. „Genau so – zumindest in etwa“, orakelte er, aber Hannibal verstand immer noch nicht. Nur sein griechischer Lehrer Sosylos begann zu ahnen, worum es Hasdrubal ging. Ein schelmisches Lächeln zauberte sich in sein Gesicht. „Das könnte gehen“, meinte er trocken.
Hannibal grübelte …
„Wozu Menschenleben opfern?“ erklärte Hasdrubal und Sosylos nickte grinsend, „und dazu noch die falschen. Schau mal, mein Bruder, dein Name bedeutet doch ‚Gottessohn‘, also benimm dich auch wie einer und folge mir geistig auf ein ganz neues Terrain."
Hannibal wurde blass im Gesicht…
„I-ich so-soll also ei-ein Prophet werden?!"
„Du hast’s erfasst, jetzt stell dich doch nicht so an!“, schimpfte Hasdrubal. Musste er ihm wirklich alles haarklein aufschlüsseln?!
„Die Sache ist doch ganz einfach: wir rudern über das Meer, fallen in Rom ein, übernehmen dort nach und nach alles, und wenn wir endlich in der Überzahl sind, dann beseitigen wir die Alteingesessenen, zumindest die Männer … aber nicht so wie gewohnt, in Schlachten und Siegen, sondern in einer Jahrzehnte währenden Anstrengung. Hast du’s jetzt?“
Hannibal schüttelte den Kopf …
„Was genau hast du vor?“
„Hör zu, wir rekrutieren eine ganze Menge Volk, nein anders; wir vertreiben einfach die Leute aus unserem Land, die flüchten dann beispielsweise in Rettungsbooten nach Norden, lassen sich von der Römischen Marine retten, werden in Rom, im Triumphzug, willkommen geheißen, sie lassen sich dort nieder, bekommen ein stattliches Almosen und fangen an noch mehr Kinder zu kriegen, als sie ohnehin schon mitgebracht haben“.
„Auf euer Wohl!“, rief Sosylos, ihr seid wahrlich geniale Strategen!“ Endlich ging Hannibal das entscheidende Licht auf. „Oh“, sagte er und noch einmal „Oh! – und wie lange wird das dauern?“
„Du wirst es noch erleben, Kollege Stratege“, tröstete ihn Hasdrubal. In Rom haben die Paare durchschnittlich nur eineinhalb Kinder, in Karthago sind es 6, und unsere numidischen leichten Reiter haben sogar durchschnittlich 10. Die können sie in ihrer Heimat bloß nicht durchfüttern, weshalb sie praktisch auch wieder nur 2 haben … die schlechten Zeiten einmal weggerechnet, da bleibt wohl manchmal vielleicht nur eins übrig."
Da in Rom ca. 500 000 Menschen leben, werden wir in spätestens 25 Jahren einen glänzenden Sieg davontragen. So lange wirst du es ja noch aushalten können. Inzwischen reduzieren wir, quasi aus dem Untergrund, die verhassten Römer: Wir ermorden immer wieder welche aus Glaubensgründen. Daneben heiraten unsere Kolonisatoren viele ihrer Frauen, oder sie vergewaltigen sie einfach. Auch damit können wir Pluspunkte machen."
Hasdrubal verdeutlichte nebenbei geschickt seine Vorstellungen am Abakus, und in Windeseile hatte er die entsprechenden Rechenexempel statuiert, die sich später in Wirklichkeit abspielen würden. Hannibal staunte nicht schlecht!
„Ich muss zugeben, das ist viel besser, als mit bewaffnetem Fußvolk, Reitern und Elefanten über die Alpen zu ziehen und später dann deinen Kopf ins Lager geworfen zu bekommen! Wir machen es uns lieber zuhause gemütlich, schicken unsere Heere los und ziehen dann später dort ein, wo wir hingehören. Denn alle Länder der Erde sind schließlich Baals Eigentum – und wer Rom besitzt, der besitzt die Welt!“
Und so geschah es dann auch nicht:
Hannibal stand auf und rief seine Generäle zu sich „Ich befehle den Bau von Rettungsbooten, von Rettungsbooten und nochmals von Rettungsbooten“, rief er, „und dann treibt mir die Leute hinein, wenn nötig mit der Peitsche – habt ihr gehört?! Sie sollen Kurs auf das italienische Festland nehmen! Mein Gott, ich werde der größte Feldherr aller Zeiten sein … Baal ist groß und Hannibal ist sein Prophet!“