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27. Februar - 02. März 2010
Fortsetzung von "AU 2010 05 Auckland, NZ"
Wellington - ein Traum ist diese Hauptstadt
an der Straße des James Cook.
Dank ihrem ansehnlichen Look,
sie das gewisse Etwas hat.
Die Hauptstadtwahl, bin mir gewiss:
Ein ausgemachter Kompromiss!
Es dunkelte bereits, als um 20:15 Uhr unser Bus an der Haltestelle am Bahnhof in Wellington anhielt. Die interessante Tagesfahrt von Auckland durch fast die gesamte Nordinsel war ein Erlebnis für sich. Wir waren gespannt auf unsere hiesigen Gastgeber für drei Tage, die uns hier abholen wollten. Wir hatten vorher kein Foto zugeschickt bekommen. Gleich nach dem Aussteigen sahen wir ein Paar in unserem Alter. Die Frau hielt ein DIN-A4-Blatt vor sich, auf dem stand: "Mr. and Mrs. Grigor". Kein Zweifel, das waren sie: Jennette und Malcolm.
Jennette trug eine rote Bluse, war vollschlank und hatte weißes, halblanges Haar. Ihr Gesicht strahlte eine gewisse Strenge aus. Malcolm trug blaue, lange Hosen und ein graublaues Hemd mit langen Ärmeln. Er war schmaler als Jennette und hatte ein freundliches Lächeln.
Dass wir die kommenden drei Tage als Gäste im Haus dieses Ehepaars eingeladen waren hat eine kleine Vorgeschichte:
Bei unserer Reiseplanung vor einem Jahr waren zwei Hotelübernachtungen in der Hauptstadt Wellington geplant, danach Fähre nach Picton und Bus nach Nelson, wo wir auch einen Zwei-Wochen-Wohnungstausch organisieren konnten. Wir erfuhren bald, dass die Hotels in Wellington sehr teuer sind und versuchten einen Haustausch auch hier. Wir boten eine Woche Åmål (in dieser schwedischen Kleinstadt wohnen wir) für 3 Tage Wellington. Am 6. Oktober schrieben wir zehn Wellington-Inserate bei HomeLink. Neun hatten kein Interesse, der Zehnte antwortete nicht. Wir waren auf Hotelübernachtungen eingestellt. Am 6. Dezember 2009 schrieb dieser Zehnte: "OK ihr könnt kommen. Wir sind zu Hause und ihr seid unsere Gäste. 2010 kommen wir nicht nach Schweden. Vielleicht später einmal, oder auch nicht."
So eine gastfreundschaftliche Erfahrung machten wir übrigens auch in Sydney vor einem Monat.
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Fakten
Wellington ist die Hauptstadt von Neuseeland und nach Auckland der zweitgrößte Ballungsraum des Landes. Sie hat ca. 450.000 Einwohner und befindet sich an der Südspitze der neuseeländischen Nordinsel. Das Gebiet ist das politische und kulturelle Zentrum des Landes. Bekanntheit erlangte es für seine malerische Lage zwischen Naturhafen und grünen Hügellandschaften, in die abgestufte Vororte eingebettet sind, die oft aus kolonialen Villen bestehen.
Zur Zeit der ersten europäischen Entdecker des Gebiets – Abel Tasman im Jahr 1642 und James Cook im Jahr 1770 – waren die Ufergegenden am Wellington Harbour übersät mit kleinen Māori-Siedlungen. Obwohl beide Europäer anlegen und das Gebiet erforschen wollten, scheiterten sie aber bei ihren ersten Versuchen wegen der äußerst starken Strömung und den schwierigen Windverhältnissen. Seit dieser Zeit hat die Gegend den Ruf, sehr „windig“ zu sein. Erst knapp 70 Jahre später begann die erste geplante Besiedlungswelle durch die Europäer, als William Wakefield im Auftrag der 1839 gegründeten New Zealand Company in Neuseeland große Landflächen von den Māori erwerben sollte, bevor die britische Krone deren Aktivitäten beenden konnte. Die Maori verließen im Tausch gegen 100 Musketen, 100 Decken, 60 rote Nachtmützen, ein Dutzend Regenschirme und weitere verschiedene Kleinigkeiten widerwillig ihr Land. Allerdings gab es Übersetzungsschwierigkeiten und das Prinzip des Landbesitzes ist den Māori unbekannt.
Schon im folgenden Jahr, 1840, kehrte Wakefield mit der ersten „Schiffsladung“ an Siedlern an den Naturhafen zurück und benannte die zukünftige Siedlung zu Ehren von Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, einem Unterstützer der New Zealand Company Wellington. Eine Serie von kleineren Erdbeben im Jahr 1848 führte zu zahlreichen Beschädigungen der ersten Siedlung. Einige Jahre später wurde klar, dass die eingeengte Lage der Stadt kein weiteres Wachstum mehr zuließ und es wurde der Beschluss gefasst, große Flächen des angrenzenden Naturhafens trocken zu legen. Bevor man aber mit den Arbeiten beginnen konnte, erschütterte ein Erdbeben die Region. Am 23. Januar 1855 veränderte ein großes Erdbeben die Landschaft in und um Wellington. Der Boden wurde um bis zu 6,4 m angehoben, im Hafenbecken (Wellington Harbour) noch bis zu 2 m. Der Landgewinn wurde für das Stadtzentrum und später für den Bau des Flughafens genutzt. Durch die Anhebung verschob sich die Uferlinie, wodurch sich der Lambton Quay heute über 250 Meter vom Hafenbecken entfernt befindet. (Wikipedia)
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Nach der Begrüßung und den ersten Minuten im Auto auf der kurzen Einführungs-Rundtour durch die Innenstadt war für mich klar: Jennette ist streng und bestimmend, so wie ich mir eine englische grand old lady vorstelle. Malcolm ist ein netter und freundlicher Typ, der sie bestimmen lässt oder lassen muss. Gullan, meine Frau, und ich waren uns einig, dass sie, im Gegensatz zu ihm, nicht unser Typ war.
Malcolm saß am Steuer und fuhr eine Runde durch die Innenstadt. Jennette zeigte mehrere Male Unmut an seiner Fahrweise und Wegwahl. Malcolm war merkbar irritiert, hielt sich aber zurück. Wir versuchten vorsichtig die Fahrt abzukürzen. Wir waren müde von der langen Busfahrt und wollten direkt morgen früh mit der Entdeckung der Innenstadt beginnen. Sobald wir die Innenstadt verließen, ging es ziemlich steil den Hang hinauf. So gut wie alle Wohnhäuser liegen auf einem der relativ steilen, vorgelagerten Hügeln. "Unser" Haus lag so ziemlich auf dem höchsten Punkt einer dieser.
Malcolm beruhigte uns und sagte, dass die Haltestelle einer Bergbahn ganz in der Nähe ist. Diese führt geradewegs in die Innenstadt. Fahrzeit nur einige Minuten.
Jennette hielt vor einem von außen etwas unscheinbar wirkenden, grauem Haus an: Unsere Übernachtungsstelle für drei Nächte. Die beiden kommenden Tage werden wir durch Wellington streifen.
Wir stiegen aus, nahmen unser Gepäck und traten in das Haus. Uns kam ein Duftrest von gebratenem Fisch entgegen. Diesen Duft mag ich eigentlich nur in der eigenen Küche und nur solange ich hungrig bin. Geradeaus war die Küche, links das große Wohnzimmer, rechts die Treppe zu den privaten Zimmern der Gastgeber. Dann kam eine Tür, die den Bereich abgrenzte, der unser wurde: Ein großes Schlafzimmer mit toller Aussicht auf die Stadt und zwei separaten Betten, ein Pluspunkt. Das altmodische Badezimmer mit Dusche war auf der anderen Seite des Gangs. Alles war aber etwas muffig und strahlte den Charme einer alten, gut eingelebten und nie veränderten Millionen-Villa aus. Wir machten uns etwas frisch. Jennette bat uns, danach in das Wohnzimmer zu kommen. Gullan und ich
© Willi Grigor, 2010 (Rev. 2017)
Gedichte und Prosa:
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