Die Abrissgläser meiner Urgroßmutter in der Tasche betrete ich das Antikgeschäft. „Mitte 19. Jahrhundert", bemerkt wortkarg der Händler. Mit einer anmutigen Geste hält er das Glas gegen Licht, dreht es herum. „So wurden sie hergestellt“, sagt er, während er das Glas scheinbar in Form staucht, fällt mein Blick auf eine Reihe verschieden geformter silberner Mokkalöffel in der Vitrine. Liegen sie wirklich so still? Ihre feinen Muster bezaubern mich. Ich hebe ein Löffelchen auf, es schmiegt sich in meine Hand, sein Gewicht fordert Respekt. Vielleicht diente es einst in einem vornehmen Haushalt, klapperte auf feinstem Porzellan, wurde von zierlichen Fingern gehalten, hörte Klatsch und Tratsch, sah Herrschaften, Hausangestellte, Flegel. Poliert, in Seidenpapier gehüllt, überlebte es Kriege, in Kisten vergraben, in Kellern versteckt, auf Pferdefuhrwerken, Handkarren von Ostpreußen nach Berlin gezogen, nahm es seinen Weg in meiner Vorstellung. Mondäne Löffelchen, weltgewandt, hart und zart, von jeher. Da höre ich den Händler sagen: „Passen Sie bei diesen Temperaturen gut auf, es könnte Spannungen im Glas geben“, und reicht mir mein altes Glas.