Ich bin so frei

Bild von Robert Staege
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Das kann bei uns auch ein Strafgefangener sagen, wenn er die ihm angebotene Zigarette annimmt, was jedoch trotzdem bedeuten kann, dass er als „Lebenslänglicher“ hinter Gittern stirbt. Gut, wenn er nicht gerade bei der SS war, und auch sonst einigermaßen gesund ist, dürfte Letzteres eher unwahrscheinlich sein. Und er hat ja immer noch die Freiheit, sich einreden zu dürfen, dass die Gedankenfreiheit in unserer freiheitlichen Demokratie gewährleistet sei. Das beste Argument gegen diese lächerliche These bin ich selbst. Keine Spur von Gedankenfreiheit, ganz im Gegenteil, - ich denke tagtäglich bis die Schwarte kracht. Gedanken von morgens bis abends, Gedanken Tag und Nacht. Und kürzlich sagte einer, bei mir drehten sich immer alle Gedanken um die Freiheit. Wenn sie sich bei mir drehen sollten, müsste die Freiheit ja bei mir sein. Sie können das Haus vom Keller bis zur Dachkammer filzen, aber Freiheit werden sie da nicht finden.
Gedanken haben zudem keinerlei Drehimpuls. Man kann sie formulieren, artikulieren, zu Papier bringen, aber Gedanken drehen sich nicht. Schon gar nicht um Freiheit. Versuchen Sie mal, um etwas zu rotieren, das räumlich nicht exakt definiert ist. Viel Glück, sage ich da nur. Es wird nicht klappen. Wenn es bei Ihnen als Körper in der Raumzeit schon nicht funktioniert, wie soll es dann bei einem Gedanken, etwas per se Körperlosem, funktionieren. Das Meiste, was über oder von Freiheit gesagt wird, ist also nichts als hohles Geschwafel. Unsere Freiheit soll ja angeblich mal am Hindukusch verteidigt worden sein. Ich frage Sie: Wie kam die dahin? Warum wurde sie nicht an der - vermutlich illegalen - Ausreise gehindert? Ach, Sie sind also der Meinung, Freiheit könne nicht reisen?! Weshalb sollten wir unsere Freiheit dann in Afghanistan, oder wer weiß sonstwo, verteidigen können? Die kann doch dann dort gar nicht sein. Wir haben also bestenfalls am Hindukusch Amtshilfe bei der Verteidigung der dortigen Freiheit geleistet. Gleichzeitig wurde behauptet, man müsse Kampftruppen einsetzen, um dem dortigen Volk Freiheit zu verschaffen. Man hat also Amtshilfe bei der Verteidigung einer mutmaßlichen Freiheit geleistet, die erst noch geschaffen werden musste, d.h. man half, eine noch nicht vorhandene Freiheit zu verteidigen. Das ist für mich ein Akt der Gedankenfreiheit. Diese Gedanken (und die daraus abgeleiteten und formulierten Argumente) sind absolut frei von jeder Logik und bar jeden Sinnes. Vermutlich wird in unserem Land die Meinungsfreiheit auch deswegen als „ein hohes Gut“ betrachtet, weil die Mehrzahl keine Meinung hat, also meinungsfrei ist. Die Tatsache, dass man so frei ist, die (ausformulierten) Gedanken eines anderen (eventuell umformuliert) nachzuplappern, wird schon als „eine Meinung haben“ bezeichnet. Andererseits kann die Freiheit bei uns keineswegs auch eines dieser „Hochgüter“ (was immer das bedeuten mag) sein, da sehr viele behaupten, dass sie sich - wohl angestachelt durch eine perfide Werbung - „diese Freiheit nähmen“. Und man sagt heutzutage auch nicht mehr „Ich bin frei“, sondern es heißt nun „Ich habe frei“. Manche nehmen sich, wie schon gesagt, die Freiheit. Eine größere Zahl nimmt sich einfach frei. Wo liegt da der Unterschied? Es scheint zu bedeuten, dass die Erstgenannten die Freiheit in ihren Besitz bringen (sich nehmen). Aber wenn der erste die Freiheit an sich genommen hat, bleibt doch für alle anderen nichts mehr übrig. Ein findiger Kopf könnte höchstens noch auf die Idee verfallen, sich seinerseits nun die Unfreiheit zu nehmen, und dann das „Un-„ auf irgendeine Weise abzuspalten. Dann wären aber immer noch nur zwei Menschen im Besitz von je einer Freiheit. Es muss also zwingend mehrere - eventuell sogar ziemlich viele - Exemplare der Freiheit geben. Und sie müssen in einer Art Behältnis aufbewahrt werden, da man oft hört, dass sich jemand „Freiheiten herausnehme“. Und ich frage mich zudem, ob jemand, der sich nur „frei“ nimmt, zu jenem Behältnis geht, eine Freiheit in der Mitte auseinander bricht, die „-heit“ wieder zurücklegt, und nur die/das „Frei-“ mitnimmt. Ehrlich, manchmal wäre ich heilfroh, wenn ich sagen könnte, dass ich Gedankenfreiheit besäße. Denn diese Gedanken sind verwirrend, anstrengend und schwierig. Ich behaupte also: Die Freiheit ist das Objekt meiner Sehnsucht. Und als solches wahrhaft „ein hohes Gut“. Ziemlich hoch sogar, denn ich komme bislang nicht dran. Wie hoch genau, kann ich aber nicht sagen, da sich das „Gut“ (es könnte ebenso lang, breit oder tief sein) die Freiheit herausnimmt, sich einer zwangsweisen (also unfreiwilligen) Messung zu entziehen. Und wenn sich die Freiheit selbst aus dem Behältnis der Freiheiten entnimmt, dann ist wohl auch dem Letzten klar, dass es sich dabei um etwas vollkommen Absurdes handeln muss.

Geschrieben am 28. Januar 2018

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