Der Stein (aus Miss Mutigs Tagebuch)

Bild von Alf Glocker
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Stein hat ein Herz aus Stein – er ISST ein Stein! Relativ zu seinem Ansprüchen an das Leben ist er aber sowas von schlapp! Man muss einfach sagen: Immer, wenn man ihn für etwas Vernünftiges braucht, ist er mit Lichtgeschwindigkeit verschwunden. Dann bleibt er für lange Zeit außer Sichtweite, nein, er entfernt sich sogar so sehr von einem, wie sich der Weltraum ausdehnt! Dann hat man das unbestimmte Gefühl, daß da nichts ist.

Wo man einen Mann erwartet, trifft frau auf ein Vakuum, das sie zwar umständlich aufblasen könnte wie einen alten Schuh … aber wozu denn? Es stimmt zwar, daß ich mit dem verheiratet bin und das auch noch auf meinen eigenen Wunsch hin und eine komische Initiative, die ich heute nicht mehr verstehen kann, aber vermutlich hat der Trottel sogar irgendeinen Zweck für mich erfüllt. Er ist mir eine Art Wackelstütze!

Natürlich kann er mir das nicht geben, was ich wirklich brauche: einen wiehernden Esel, der mein Päckchen trägt wenn ich allein nicht mehr weiterkomme. Doch was geht ihn das an? Es reicht, wenn er weiß, oder zu wissen glaubt, daß ich harmlos bin – denn ich bin es ja auch! Mir genügen ganz einfache Dinge. Ich brauche kein Schloss zum Wohnen und keine Kalesche zum Angeben. Ich brauche einen Mann, der seinen Pflichten nachkommt!

Ein Mann fragt nicht – er ist immer bereit! Seine Frau kann seine Libido abrufen, wann ihr danach ist, und sie bestimmt, wie sein Leben zu verlaufen hat! Da gibt es Arbeit, Kinder und ein wenig hart erarbeiteten Luxus, damit ich mir zwischendurch auch mal was gönnen kann. Der Mann ist zufrieden mit dem was man ihm vorsetzt und er muss sich um seine Frau sorgen, wenn die mal was angestellt hat. Und anstellen muss ich etwas!

Wenn er nicht spurt, bekommt er keinen Sex! Wenn er glaubt, mich kritisieren zu müssen, dann betrinke ich mich haltlos und lasse ihn spüren, daß er daran schuld ist – und er ist natürlich auch schuld daran, wenn ich mich gelegentlich dabei ein wenig verletze und z. B. die Küche beim Gemüseschneiden voller Blut ist! Dann sieht er was er angerichtet hat und gibt klein bei – oder er ist ein Wildschwein ohne jegliches Mitgefühl!

Ich sehe zwar nicht aus wie Marilyn Monroe, ich bin nicht annähernd so verträumt wie Annette von Droste-Hülshoff und auch längst nicht so intelligent wie Simone de Beauvoir, aber man könnte doch wenigstens so tun als ob, oder mich ebenso behandeln! Auf meinen Humor kann man dabei aber lange warten, denn den brauche ich gar nicht. Dafür habe ich meine Clowns – Sohwass von Schlapp z. B., um nur einen zu nennen.

Lachen kann ich, höchstpersönlich, darüber allerdings schon lange nicht mehr! Warum hat mir das Schicksal nur jemanden zugeteilt, mit dem ich absolut nichts anfangen kann? Er will einfach nicht hören, nichts sehen, aber dafür immer das Sagen haben. Er könnte sich doch einfach grundlegend ändern … Wie oft habe ich ihm denn – nunmehr umsonst, muss ich sagen – eine Chance vermasselt?! Ich war doch immer zur Stelle, wenn es darum ging ihn niederzumachen! Mir kann ich also nichts vorwerfen.

Der Depp hat halt nur leider nichts draus gelernt. Wenn ich anderen beistand, die ihm unmissverständlich zu verstehen gaben, daß er nichts kann und nichts ist, dann habe ich das nicht zum Spaß getan! Wann wird er denn endlich begreifen, daß er beim Straßenbau sehr viel besser aufgehoben ist als im Maleratelier? Ein armer Künstler taugt nichts. Das weiß doch jeder. Mit einem reichen kann frau sich schmücken und ihm seinen Blödsinn durchgehen lassen, aber ein armer Maler/Poet taugt höchstens für einen Witz! Und warum sollte ausgerechnet ich den ausbaden?!

Jeder kann mich trösten wenn ich schlecht drauf bin, und jeder kann unter meinen absichtlich herbeiführten, pädagogisch wertvollen Zusammenbrüchen leiden (wenn er ein Mann ist), da für muss er kein Philosoph sein. Dafür braucht er kein Hirn – dafür braucht er ein Herz. Aber hier sind wir ja dann auch schon wieder am Anfang meiner heutigen Eintragung angelangt: Stein ist ein Stein! Er hat gar kein Herz! Er hat nur Flausen im Kopf, der ansonsten hohl und zu nichts zu gebrauchen ist. Schneuz!

Wir erinnern uns ...?

Ein beruhigend schizophrener Tatsachenbericht
(aus Sohwass von Schlapps Tagebuch)

Weiß jemand, was eine Beruhigungsparty ist? Nein, das ist kein Zusammentreffen, bei dem Schlaftabletten geschluckt werden, damit man in dieser Nacht wundervoll schlafen kann. Es ist auch keine Party, bei der ein Hypnotiseur eingeladen ist, der dann seine Kunststückchen am lebenden Objekt vorführt – und ein Gottesdienst für den ollen Morpheus ist es auch nicht … und doch ist es von alledem etwas.
Jedenfalls werden tatsächlich die Kinder der Nacht beschworen – um es einmal gebildet zu sagen: die Oneiroi. Sie kommen aus der Unterwelt, aus dem Land der Träume, das sich jenseits des Okeanus befindet, jenseits des weißen Felsens und der Tore der Sonne, bevor man zum Aufenthaltsort der Schatten der Toten gelangt. In einer Beruhigungsparty bereitet man sich auf diesen Ort vor! Aber das darf man offiziell gar nicht wissen.
Offiziell ist eine Beruhigungsparty ein fröhliches Treffen mit einem geheimen Motto, welches ein gekonntes Frage- und Antwortspiel beinhaltet: Man darf ausschließlich ausweichende Gespräche führen! Das mag jetzt vielleicht manchem erscheinen, als wären nur Politiker dabei zugelassen, aber dem ist nicht so. Kommen darf jeder, der „reinen Herzens“ ist – also alle, die in der Lage sind, ausweichende Gespräche zu führen.
Dann wird, auf streng geheime Weise, eine Traumwelt inszeniert, die wie ein Improvisationstheater aussieht und gewissermaßen auch eines ist. Es gibt keine Rollen, aber jeder weiß, wie er ungefähr zu spielen hat. Ein bisschen erinnern Beruhigungspartys an eine Session von Jazzmusikern, die irgendwie zusammen harmonieren möchten. Was herauskommt kann manchmal ganz schön komisch sein, wenn es sich bei den Teilnehmern nicht um geübte Profis handelt. Auf einer solchen Party war ich kürzlich …
Für mich als Laien war das sehr anstrengend! Ich saß eigentlich nur da und staunte … Ich verpasste mindestens 100-mal meinen Einsatz – nie hatte ich den folgerichtigen Spruch auf der Zunge. Das machte mich zwar nicht traurig, ließ mich aber unnütz erscheinen! Geladen waren außer mir und meiner Begleiterin Miss Mutig, noch die Labers und die Hohls. Das Ganze fand bei den Witzels statt, das ist eine Kleinstunternehmerlebensgemeinschaft mit beschränkter Haftung, Oha! „Geh doch mal ein Bier holen“, ermutigte Friedrich Ernst-Wilhelm Witzel seine „LAG“ (Lebensabschnittsgefährtin) Kassandra-Symbol … und damit war die Party eröffnet!
Jeremias Laber begann von seinem letzten Motorradausflug zu berichten und wie schön schnell er gerast war – besonders in Tunneleinfahrten, weil man da im ersten Moment nicht so viel erkennen kann und der Überraschungseffekt deshalb größer ist, wenn man ordentlich Gas gibt. Xantippe Laber kicherte, erinnerte scherzhalber ihren Helden gekonnt spaßig daran, daß er ja eine Lebensversicherung habe und wie hoch sie sei und welche Beiträge er dafür bezahle, doch Eberhart Hohl beschwichtigte die Gute mit einer Story über vorbildliches Verhalten in Wallfahrtsorten wie dem Ballermann auf Mallorca oder dem Schlitz-Hotel, Gran Canaria … wo man übrigens sehr gut essen könne, wenn man sich auskennt. Das kam gerade zur rechten Zeit, denn jetzt wurde nicht nur dick, sondern auch die Speisen aufgetragen.
Meine Begleiterin Miss Mutig lächelte, mit ausnahmsweise einmal nicht hängenden Mundwinkeln, derart verführerisch, daß sich Kassandra symbolisch dazu veranlasst fühlte, ihr ein Kompliment zur längst überfälligen Gehaltserhöhung zu machen. Das hob die Stimmung deutlich und ließ mich adäquat deutlich kleiner werden, auf meinem (heißen) Stuhl, denn ich hatte keine bekommen. Nun ging es rund … Gespräche über Schmuck, Chefs und Gerüchte uferten – ich möchte sagen – aus! Und mein Staunen wuchs!
Warum es wuchs, erkläre ich zum, mehr oder weniger, sagen wir mal eher, weniger guten Schluss: Ein schweres Gewitter zog auf. Sein Leuchten beobachtete ich schon längere Zeit in der Ferne – es sah aus wie das Näherrücken einer Front. Allerdings war noch nichts vom Donner zu hören. Inzwischen gingen die Gespräche fröhlich und – aus meiner Sicht – zusammenhang- wie auch sinnlos weiter. „Meine Schussuggi hat sounsoviel PS und beschleunigt, von auf, in ...“ … „... und da hat mein Boss, der Kettenraucher, gesagt, 60 (Angestellte) seien nicht zu viel“ … „... aber in Daffoss kann man auch sehr gut ..."
Leider fiel mir zu keinem Zeitpunkt etwas Passendes ein und so erstickte ich förmlich an 2 Faktoren dieses für mich bedrückenden Abends. 1. kam ich mir lästig vor, weil ich weder beruhigend noch freundlich gewirkt haben muss und 2. stürmte es bereits heftig, Blitze fuhren vom Himmel und der Donner erschien mir, dem, der sich einfach niemals beruhigen wollte, infernalisch. Doch die anderen Partygäste hörten und sahen nichts davon, da es sich, ja, sehr richtig, um eine Beruhigungsparty handelte.
Platt wie eine Flunder, fand ich mich mit meiner Rolle, die keine war und auch keine zu werden drohte, ab. Ich zählte nur noch die Einschläge um uns herum. Meinem Gefühl nach waren wir tatsächlich mitten im Krieg – und gegenüber des Anwesens der Witzels brannte bereits ein Haus. Feuerwehr und Krankenwagensirenen waren auch schon zu hören. Polizeiautos flitzen in der Gegend herum und ich bildete mir ein, Menschen schreien zu hören. Aber das war ein Irrtum!
Dia Klau, die Frau von Hellenmut Hohl, und Lillith Laber gackerten nur wie verrückt gewordenes Federvieh, weil Friedrich Ernst-Wilhelm einen Witz über schwarzhaarige Blondinen erzählt hatte. Die beiden hörten sich an wie eine Gänseschar, die, noch in einer Senke verborgen, mit dem baldigen Auftauchen einer Mädchenklasse verwechselt werden kann, aber nicht darf. Ich bekam Angst und die ist ja, propagiertermaßen, ein schlechter Ratgeber, weshalb ich auf sie hörte und einen derart hohen Blutdruck vortäuschte, daß ich mich zur meiner Verabschiedung veranlasst sah.
Die betretenen Blicke ignorierend, machte ich mich auf den Weg in meine Villa Wolkenhorst, wo ich mich sicher fühlen wollte, obwohl das ja auch bloß ein Trugschluss war, so wie ich selbst. Trugschlüsse haben aber, wie ich nun wieder unsachgemäß meine, auch eine Daseinsberechtigung, sogar wenn es sich dabei um fleischliche Wesen handelt, die unfähig genug sind, um auf einer Beruhigungsparty nicht mitwirken zu können … Anderntags las ich dann in der Zeitung, wie viele Menschenleben das gestrige Gewitter gekostet hatte und warum jetzt eine Schweigeminute angebracht sei. Ich konnte aufatmen!

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Kommentare

30. Apr 2020

Also, Zustände sind das im Hause!
(Fast so schlimm wie bei der Krause ...)

LG Axel

30. Apr 2020

...eher wie bei Klethi & Plethi unterm Sofa,
wo Tabletten herum kullern nach den Partys...

LG Monika

30. Apr 2020

Haha - da kann ich beidem nur zustimmen!
LG Alf

13. Okt 2020

Da hat der Himmel lamentiert,
und hat dennoch zu nichts geführt.