Franka und Freya - Page 3

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mich zu entspannen, aber es gelang mir nicht. Ich wollte, dass unsere Blicke sich begegnen, dass wir uns über die Augen austauschten, ich wollte eine minimale, aber spannende Form der Kommunikation etablieren. Als das Modell mich endlich verhalten anschaute, glaubte ich ein Flackern in ihren Augen zu erkennen. Sie hatte mich wahrgenommen, registriert. Ich zwang mich, den Blick nicht abzuwenden, ich versuchte, ihr etwas mitzuteilen. Aber was genau? Bewunderung? Respekt? Interesse? Liebe? Ich ahnte, dass es mit Blicken nicht getan wäre. Ich musste mutiger werden, wenn ich etwas erreichen wollte.

Eine gute Stunde später hatte ich kaum Fortschritte gemacht. Mit meiner Zeichnung und dem Modell war ich nicht weitergekommen.

Es blieb mir nur noch eine Sitzung.

*

Franka und ich telefonierten viel und trafen uns auch gelegentlich. Meistens ging es in ihren Anrufen um Unterrichtsinhalte oder Materialien, die sie nicht verstanden hatte. Ich erklärte ihr alles, meine Geduld war grenzenlos. Einmal, an einem Abend vor einer Übersetzungsklausur, rief sie mich ganz verzweifelt an.
„Du musst sofort kommen“, hauchte sie am Telefon. „Ich versteh das mit den Konditionalsätzen überhaupt nicht.“
„No problema“, antwortete ich. „Si tienes tiempo esta tarde, te ayudo.“
„Das wäre super“, antwortete sie. „Ich koch uns auch was.“

Ich fuhr an diesem lauen Spätsommerabend so unbeschwert durch die Straßen der Universitätsstadt, dass man den Frühling in meinen Augen sofort erkannte. Mit meinem Rad fuhr ich Schlangenlinien und pfiff dabei ein Lied. Ich fühlte mich kräftig, männlich und für die Liebe bereit. Ich war gut trainiert, gesund, trug weiße Sneakers, eine kurze, blaue Stoffhose und ein körperbetontes, rotes T-Shirt.
Als sie die Tür aufmachte, war ich mir sogleich sicher, dass der Anruf nur ein Vorwand gewesen war. Sie trug ein enganliegendes, weißes Kleid, dazu rote Pumps. Sie hatte nur ein weißes Höschen drunter, ihr nackter Busen zeichnete sich deutlich unter dem weißen Leinen ab. An beiden Ohren steckten cremefarbene Kunstharzperlen.
„Sorry“, sagte sie, „ich bin grad erst von einer Vernissage zurück gekommen. Komm rein, ich hab uns Nudeln gemacht.“

Ich lief hinter ihr in die Wohnung und sah mir ihre kleinen, runden Pobacken an. Sie trug keinen String, das hätte billig ausgesehen, aber es war trotzdem ein knappes Höschen. Etwas unterhalb ihres knackigen Pos hörte das weiße Kleid auf und gab den Blick auf ihre strammen Oberschenkel und Waden frei. Makellose, junge Beine. Die Muskulatur ihres Rückens war durch das weiße Leinen ihres Kleides gut erkennbar. Man sah, dass sie Sport trieb und auf ihre Ernährung achtete. Wir beide, so dachte ich an jenem Abend, stehen in voller Blüte. So schön und stark wie jetzt werden wir nie wieder sein.

Ich setzte mich an den Tisch und schaute ihr beim Hantieren in der Küche zu. Sie entledigte sich grazil ihrer roten Pumps, nahm barfuß den Kochtopf mit den Nudeln vom Herd und stellte ihn auf den Tisch. Sie schmeckte die Tomatensoße in der Pfanne mit Oregano und Basilikum ab und stellte die Pfanne ebenfalls auf den Tisch. Sie schüttete uns zwei Gläser Rotwein ein und stieß dann mit mir an.
„Auf dich, mein Retter“, sagte sie und ich lachte verlegen.

Wir aßen schweigend und schauten uns schweigend in die Augen. Nach zwanzig Minuten hatten wir aufgegessen. Aber wir waren immer noch hungrig.
„Komm, wir gehen ins Arbeitszimmer“, sagte sie und ich gab nickend mein Einverständnis. Sie ging voran, ich hinterher. Ich merkte den Rotwein und fühlte den Mut in mir aufkeimen. Als sie sich im Arbeitszimmer vor mir mit den Händen an ihrem Schreibtisch abstützte, umfasste mein linke Hand wie selbstverständlich ihre schmale Taille. Ich schmiegte mich an sie, an ihren Rücken, schob mit meiner rechten Hand ihr langes Haar zur Seite und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. Ich spürte meinen und ihren feuchtwarmen Atem und knabberte sacht an ihrem Ohrläppchen. Ohne ein Wort zu sagen, drehte sie sich zu mir um und schaute mich an. In ihren Augen sah ich einen Kampf widerstreitender Emotionen: Lust und Angst, Bereitschaft und Aufgabe, Freude und Sorge.

Ich bewegte mein Gesicht auf ihres zu. Ich schloss die Augen und öffnete sacht meinen Mund. Ich spürte, wie der süße Saft ihrer Lippen meine eigenen berührte. Ich dachte an Morgentau, der von einer Lotusblüte perlt. Mir war wohlig warm und ich drückte meinen Körper noch näher an ihren. Es würde passieren, dessen war ich mir nun sicher.

Doch dann, recht abrupt, drückte sie mich von sich weg. Sie schob ihr Kleid, das hochgerutscht war, wieder nach unten. Sie sah mich fast flehend an.
„Es tut mir leid“, sagte sie. „Aber ich muss das morgen packen, sonst kann ich das Staatsexamen knicken.“

Noch heute empfinde ich meine Reaktion als wahre Heldentat. Ich ließ von ihr ab und übte mit ihr tatsächlich noch die Konditionalsätze. Oder besser gesagt: Ich brachte sie ihr bei. Aber als ich um Mitternacht nach Hause fuhr, wusste ich auch, was ich vor dem Zubettgehen noch tun musste.

*

„Ich bin übrigens Freya“, sagte sie im Flur.
Ich fühlte mich überrumpelt, stand verdattert da und brachte keinen Ton heraus.
„Mir sind Ihre persönlichen Blicke bei den letzten Sitzungen nicht entgangen. Ist es echtes Interesse oder nur Schaulust wegen, na, sie wissen schon?“
Johannes, der eben noch neben mir gestanden hatte, war einfach weiter gegangen. Das Modell, Freya, und ich standen allein im Flur vor dem Atelier.

Ich gab mir einen Ruck. Ich war schließlich fünfzig Jahre alt, sagte ich mir. Ich hatte auch gelebt, Erfahrungen gesammelt und war kein Schuljunge mehr.
„Ich bin Julian. Und mein Interesse ist genuin“, sagte ich bestimmt. „Echt.“
„Danke, ich weiß, was genuin bedeutet. Gehen wir also was trinken?“
„Sehr gerne.“

Wie selbstverständlich half ich ihr in den Mantel und machte ihr die Tür auf. Wir gingen schweigend hinaus und sie lief zielstrebig voran. Die Atmosphäre war befremdlich, aber nicht unangenehm. Da war eine Spannung, von der ich glaubte, dass ein unachtsames Wort sie zerstören könnte und so sagte ich lieber nichts. Auch Freya schwieg und lief, lächelte und spazierte. Ab und zu warfen wir uns einen Blick zu, wie ein verschworenes Team, das sich schon ewig kannte. Es war, als wüssten wir alles voneinander, dabei

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