4 – Lebenssplitter "Plumpsklo"

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von Heide Nöchel (noé)

Plumpsklo

Einmal jedoch konnte ich mich behaupten.

Die Bäckerfamilie hatte Erdgeschoßräume mit kleinen verwinkelten Anbauten aus dem – jetzt – vor-vorigen Jahrhundert. Es gab tatsächlich – mitten in der nicht kleinen Stadt – einen Hinterhof mit einem Plumpsklo.

Das ist – für die, die es nicht mehr oder noch nicht wissen – ein kleines abgeschottetes Holzgebäude mit einer aus Holz gefertigten Sitzvorrichtung, die eine simple Lochöffnung da hat, wo heutige Toiletten ihre Brille auf der Toilettenschüssel haben.

Es sah aus wie eine Truhe, auf die man sich setzt, um sein „Geschäft“ zu verrichten. Von Zeit zu Zeit kam dann mal ein Güllewagen, der alles abpumpte, was sich inzwischen angesammelt hatte, so dass man wieder freie Bahn hatte. (Bald nach meinem Weggang ist das alles in ein modernes WC umgebaut worden).

Jedenfalls zu „meiner“ Zeit musste jeder durch die Küche auf dieses Klo, wenn er „musste“. Händewaschen war dann im Küchenspülbecken. Trotzdem kann ich versichern, dass alle es mit der Hygiene sehr genau nahmen.

Eines Tages nun „befahl“ mir die Hausfrau, mein Haar mit einem Kopftuch zu verhüllen. Dann gab sie mir den Riesenbesen in die Hand und sagte in bestimmtem Ton, ich solle jetzt in dieses Plumpsklo gehen und „den Himmel saubermachen“.

Ich ging. Und sah mir die vorher noch nie betrachtete höhere Region dieses Etablissements an: Himmel war das richtige Wort – aber was für einer! Wolken über Wolken, dunkelgraue Wolken aus lauter Generationen von Spinnweben – und zwar bevölkerte! Sicher ein Paradies für Spinnen, dieser „duftende Speiseraum“!

Fassungslos verharrte ich. Dann überlegte ich mir die Konsequenzen: Ich fege mit dem unhandlichen Riesenbesen in diese Wolkengespinste, die bleiben an dem Teil kleben, ich reiße sie runter und mit ihnen alle diese fetten Spinnen, die natürlich alle auf mir landen, weil man in einem so kleinen Raum ja auch nirgendwohin ausweichen kann ...

Ich nahm den Besen und aus lauter vorauseilendem Ekel auch meinen ganzen Mut zusammen und verließ das Geviert unverrichteter Dinge. Als ich die Küche wieder betrat, stand die ansonsten wuselige Hausfrau genau an derselben Stelle wie zu dem Entsendezeitpunkt und schien mich erwartet zu haben.

Ich gab ihr den Besen wie eine Stafette in die Hand und sagte: „Tut mir leid, das müssen Sie schon selber machen. Das ist nichts für mich.“

Sie nahm den Besen entgegen, grinste mich schief an und meinte tatsächlich: „Sie also auch nicht. Dazu habe ich bisher noch niemanden gekriegt.“

Das erklärte mir auch im Nachhinein die Wolkendichte über dem Abort. Wahrscheinlich war das auch der Grund für den baldigen Abriss und Neubau dieser "Sanitäreinheit".

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