Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren – 11. Die große Typenauswahl

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von Alf Glocker

Unter dem aktiven Einfluss der Götter zeigte sich bald der erwünschte Erfolg – viele Vormenschentypen entstanden, nahezu parallel, aus dem ersten, aufrecht gehenden Affenmenschen der Welt, der im später so genannten „Europa“ das Licht der Welt, aus seinen trüben Augen, erblickte. Aber er war fruchtbar und fing an sich auszubreiten. Er erreichte beinahe sämtliche Regionen des Globus und begann sich überall zu separieren, sich getrennt von anderen Affen-Rassen zu entwickeln und Eigenarten auszubilden, die den Göttern anschauliche Beispiele dafür lieferten, was aus ihm werden konnte.

In Afrika dominierte der Homo erectus, der dort den Australopithecus bald komplett ausgerottet hatte. In Südostasien entstand, aus einem weiteren Zweig, der Hobbit, im Ural der verhältnismäßig riesige Denisova-Mensch und in Nordeuropa wurde der Neandertaler heimisch. Die Götter lächelten. Sie hatten allen Grund dafür, denn bereits im frühen Stadium seines Werdens zeichneten sich diese relativ klugen Säugetiere durch eine ungeheure Individualität aus: Keines war wie das andere! Jedes dieser kuriosen Wesen trug praktisch die Anlagen für eine weitere, ganz neue Spezies in sich.

Und noch etwas zeichnete diese denkenden Tiere aus: Ihre Sexualität war, im wahrsten Sinne des Wortes, übergreifend. Die Männchen aller dieser Spezies schreckten vor nichts zurück! Sie kannten keine „Paarungszeit“, sie mussten nicht auf einen „allgemeinen Aufbruch“, auf einen „Hochzeitsflug“, oder einen Impuls zur Brunft warten. Sie waren ganzjährig sexuell aktiv! Ihr Anspruch, Weibchen zu gebrauchen, zeigte sich gewaltig und meistens wohl auch gewalttägig! Und – was vielleicht noch fataler erschien – sie vergriffen sich an allem, was ihnen irgendwie ähnlichsah! Wenn ein Neandertaler eine Homo-erectus-Frau erblickte, dann „erlag“ er ihren „Reizen“ ebenso, als wenn es sich um ein Weibchen aus der eigenen Art handeln würde.

Dieses Verhalten war bisher bei noch keinem anderen Säugetier (ein Tiger treibt es nicht freiwillig mit einer Löwin), bei keinem Reptil (ein Krokodil besteigt keinen Waran) und bei keinem Vogel (ein Adler fällt nicht über Geier her) in der Luft, oder einem Fisch (ein Thunfisch laicht nicht mit Zackenbarschen herum) im Wasser aufgetaucht … und es faszinierte die Götter und erschreckte sie zugleich. Handelte es sich dabei nun um die absolut globale, angewandte Toleranz, oder eher um eine Form der Gefährdung, was den weiteren Aufwärtstrend einer Art betraf? Wie sollte ein dauerhafter Fortschritt gewährleistet werden, wenn diese seltsamen Erotikfanatiker sich öfter mal auch nach rückwärts paarten? Die einzige „Hoffnung“ lag also in ihrer angeborenen Zerstörungswut, die sie noch aus der Raubtierphase mitgebracht hatten.

Die Götter verlegten sich aufs Beobachten. Sie sahen, wie der spätere Homo-erectus-Hybrid, auf seinen Wanderungen durch Südostasien, den Hobbit erschlug, bis er schließlich in Australien landete (da ist er auch im 21. Jahrhundert noch anzutreffen), wo er ebenfalls die Hobbit-Population auslöschte. Einzelfälle von Fremdbefruchtung kamen zwar gelegentlich vor, aber die winzigen Hobbit-Frauen platzten in der Regel bei der Geburt viel schwerer Hybrid-Erectus-Babys … die den Vorgang auch so gut wie nie überlebten (im 20. Jahrhundert noch zu beobachten bei Bantu-Pygmäen-Ehen, wo die Frauen die Schwangerschaft ebenfalls nicht überleben). Auch der Neandertaler, der fortschrittlichste aller primitiven Vormenschen, jagte, vergewaltigte und aß sogar weitschichtig verwandte Artgenossen, wenn er ihrer habhaft werden konnte: Er war eben ein reiner Pragmatiker! Auch der plötzlich in Erscheinung tretende Cro-Magnon-Mensch, das erste richtige Menschenwesen, musste sich vor ihm in Acht nehmen!

Was ihn angeht, wussten und wissen nur die Götter, woher er kam! Im Vertrauen gesagt: Er wäre vermutlich, kurz nach seiner Erschaffung, von den Neandertalern gefressen worden … von den Frauen natürlich abgesehen, denn auch der Neandertaler war bereits in der Lage schönere erotische Reize zu erkennen. Doch er stand unter dem Schutz der größten Macht im Universum, den ehemals vierbeinigen Ameisen, die inzwischen längst zu Göttern geworden waren. Sie hatten ihm überlegene Gene verpasst und die ersten ihrer Familien und Stämme bewacht und beschützt. Und das hatte er, der Cro-Magnon, auch dringend nötig, denn in ihm reiften große Gedanken heran … von Anfang an!

Er dachte schon früh an die Gleichheit der Menschen, er zerrte die Frauen nicht einfach an den Haaren in die Höhle, oder sonst wohin, um sie in aller Ruhe vergewaltigen zu können, er pflegte von Anfang an ein durchaus schon „sozial“ zu nennendes Miteinander, er befasste sich mit Kunst und Kultur, er erfand komplizierte Werkzeuge, kreierte Schmuck, malte Bilder, erschuf Skulpturen und er verfügte – im Vergleich zu seinen Nachbarn – über wirksame Waffen für die Jagd und den Krieg. Allerdings „litt“ auch er an diesem Wahn, weibliche Wesen, die auch nur entfernt nach Artgenossen aussahen, „lieben“ zu müssen. So kamen für ihn leider auch sehr junge Neandertaler-Mädchen sexuell in Frage, da sie, mit dem Eintreten der Pubertät nicht so derb, also annähernd wie Menschenwesen aussahen.

Sein überlegener (Erfinder-)Geist sicherte ihm jedoch, nach ein paar tausend Jahren Kampf um die Vorherrschaft, schließlich – dann doch ohne tatkräftige Starthilfe der Götter – das Überleben, und seine Population nahm sprunghaft zu. Nachdem sich endlich auch herumgesprochen hatte, daß mit den Neandertalern längerfristig kein vernünftiges Auskommen möglich sein würde, wurde der robuste Vor-Mensch gejagt und getötet, wo er angetroffen wurde – so lange, bis schließlich die letzten ihrer Art, auf Gibraltar, sehnsüchtig, von einer Höhle aus, zum afrikanischen Festland hinüberblickten, ohne sich Fluchtboote bauen zu können. Dafür waren sie einfach nicht geeignet. Sie gingen, in den frühesten Wirren der Menschheitsgeschichte, unter … jedoch nicht ohne einen geringen Prozentanteil ihrer Gene (durch den Missbrauch ihrer Mädchen) im Erbgut der Menschenwesen hinterlassen zu haben.

Die Menschenwesen hingegen fingen nun großräumig zu wandern an. Auf ihren Pfaden über den Globus trafen sie überall auf frühere Menschenformen, bei denen sie sich nicht scheuten, ebenfalls Genmaterial aufzunehmen … teilweise sogar so viel, daß ihre Kinder kaum noch Ähnlichkeit mit ihnen hatten. Die Götter ließen sie gewähren, denn das gehörte zu ihrem, man könnte auch sagen „durchaus perfiden“ Plan, den Cro-Magnon einer Unzahl von Prüfungen auszusetzen, an denen er schließlich gewollt scheitern sollte. Aber bis dahin sollten noch viele Epochen werden und vergehen – die am Ende alle irgendwie „logisch“ aussehen sollten. Die Menschen standen zunächst einmal, in allen Erdteilen, am Anfang ihrer Entwicklung. Dies gab den Göttern Raum und Gelegenheit zu „ausgelassenen“ Spielen und zu Experimenten, die eines fernen Tages noch reiche Früchte tragen sollten.

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