Als die Götter noch vierbeinige Ameisen waren – 17. Das gewalttätige Rom

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von Alf Glocker

Der Legende nach sind es die Kinder Trojas gewesen, die sich aus der brennenden Stadt noch retten konnten und Rom gegründet haben. Und da ist auch etwas dran: Aeneas und ein paar Getreuen war es gelungen, dem Gemetzel der Griechen zu entkommen – und in der Mitte Italiens fand er genug Platz und genug Frauen, um die vielversprechendste und aggressivste Kultur zu gründen, die die Welt je gesehen hatte (die mörderischen Xia, Shang, Qin, Han, Zhou, Jin, Sui, Tang einmal ausgenommen).

Eine der ersten Zivilisationen, die ihnen zum Opfer fielen, waren die Etrusker. Ihre Stadtstaaten erscheinen dem Schicksalsgenerator der Götter für die Epoche viel zu fortschrittlich. Beinahe hätte man ihre Lebensart mit denen der Erben der vierbeinigen Ameisen vergleichen können. Das war entschieden zu früh. Wie konnte sich eine junge Nation erlauben, daß sich praktisch alle Mitglieder einer Gemeinde um den Nachwuchs kümmern?! Wie konnte sie in einem so frühen Stadium bereits die freie Liebe zelebrieren?! Das musste ja schiefgehen, und es ging auch schief, denn vom Krieg verstanden die Etrusker nicht sehr viel …

Aus dem Zentrum Italiens heraus kam die Macht Roms ins Rollen und breitete sich schließlich über den ganzen Stiefel aus. Und je mehr sich diese Macht ausdehnte, desto mehr verbreiteten sich auch Kunst und Kultur! „Wir müssen das zulassen“, riet der Schicksalsgenerator, „wir können ihnen schließlich nicht alles beibringen, diesen Menschenwesen, was sie einmal brauchen werden, um an unserer Seite den Weltraum zu erobern!“ Und so feierten, neben der Schrift und der Wissenschaft, auch Mord und Totschlag im alten Europa Triumphe. Keiner konnte Rom widerstehen.

Griechenland fiel – die Phalanx versagte! Karthago wurde besiegt und vernichtet und schließlich wütete Caesar in Gallien wie die Axt im Walde, wobei ein Drittel der gallischen Bevölkerung von den Römern ermordet wurde. In der Levante, im alten Israel, herrschte der römische Terror ebenfalls ungebremst, und Britannien erlebte eine Zeit grausamer Willkür und vermessener Habsucht römischer Militärs und Geschäftsleute. Doch auch die „moderne Unterhaltung“ gedieh prächtig im römischen Herrschaftsbereich … eine Form des Erlebens, von der die Menschheit nie mehr lassen konnte.

Allerdings handelte es sich damals nicht nur um Filme und sonstige Animationen – alles wurde real vollzogen. Der Tod feierte inszenierte sich nicht nur zur allgemeinen Kurzweil als willkommener Gefährte von Phantasie und Spiel, er wurde gerne als Mittel zum „schönen“ Zweck angesehen und die Überlebenden der furchtbaren Kämpfe in den Arenen wurden mit attraktiven Auszeichnungen bedacht, nachdem sie erfolgreich getötet hatten! Anerkennung und „Mitgefühl“ waren den Gladiatoren sicher. Das wunderschöne, moderne, postägyptische Alexandria Nordafrikas, mit seiner großen Bibliothek, erregte hingegen kein Mitleid, als es, durch die Wirren römischer Bürgerkriegspolitik, in Flammen aufging. Doch inzwischen hatte es, neben den innerstaatlichen Querelen im Römischen Reich, auch noch eine andere, eine schleichende Revolution gegeben … Eine neue „Religion“ kündigte sich an.

Etwas war aus dem Judentum hervorgegangen, das an Naivität kaum noch zu überbieten war: das Christentum! Während die Juden, klugerweise, immer nur den „Messias“ angekündigt hatten, um der einfachen Bevölkerung einen Grund für Fleiß und Keuschheit vor die Nase zu halten, wie dem Esel eine Karotte, kamen die Christen auf die glorreiche Idee, ihn tatsächlich gefunden zu haben. Das machte alle Diskussionen der Rabbis, wann „er“ denn nun käme und warum er gerade jetzt kommen sollte, überflüssig, denn jemand hatte ja die Lösung für alles gefunden!

„Selig sind die sich opfern, die den Feind lieben, die sich schlagen und foltern lassen, denn ihnen wird einmal die Welt gehören." So einfach war das also – und dabei kam den Christen das wohl mit fürchterlichste Symbol der Ermordung und der Strafe gerade recht: das Kreuz! Sie stilisierten es zum Zeichen der Erlösung hoch und sie scheuten sich nicht, es auch noch anzubeten. Da konnten die Götter nur noch den Kopf schütteln. Das erschien ihnen im höchsten Maß wiedersinnig. Aber was sollte man tun? Die Menschenwesen waren davon schwer beeindruckt und, wie alle extremen Perversionen, fand es Eingang in Brauchtum und Sitte.

Als es schließlich in höchsten Ehren stand, wobei das Christentum zur römischen Staatsreligion erhoben wurde, neigte sich der Stern Roms seinem Untergang am Himmel der Großmächte zu. Ein neues, bislang noch sehr kleines Lichtlein, begann ein wenig stärker aufzuleuchten. Die Völker aus dem Norden, stocknaive Pragmatiker, erhoben sich gegen die Repressalien ihrer Besatzer! Sie schlugen die römischen Legionen, wo sie sie trafen, und marschierten zu ihren besten Zeiten sogar auf Rom selbst. Selten hatten sie fähige Heerführer, doch wenn einmal einer vorhanden war, dann entfaltete sich ihre Kampfkraft einigermaßen kreativ.

Am eindringlichsten mögen dabei die Stämme der Goten im Gedächtnis der Geschichtsschreibung erhalten geblieben sein, die eine seltsame, neue Art der Interpretation, was denn nun ein „Volk“ sei, pflegten. Sie sagten einfach: „Wer mit uns geht, der ist auch automatisch ein Gote!“ Das gestaltete sich damals noch nicht weiter gefährlich für eine größere Gemeinschaft, doch diese Form von Toleranz sollte viel später noch giftige Früchte tragen. Nichtsdestotrotz stellten die Goten derart riesige Heere auf die Beine, daß die eine Hälfte von ihnen, die sich „Ostgoten“ nannten, alleine ganz Italien überrannte.

Zuerst mussten sie allerdings das höllische Joch der Hunnen von sich abschütteln, denen sie einst katastrophal unterlegen waren. Sie lockten diese apokalyptischen Reiter in einen Sumpf (wo diese absteigen mussten) und schlugen sie vernichtend, jedoch nicht so vernichtend, daß niemand mehr von ihnen am Leben blieb. Die Ostgoten vertrauten, wie alle Germanen, auf das Leben und das Schicksal, und speziell die Eroberer Roms auch noch ihrer Religion … denn sie waren inzwischen längst Christen mit einer „eigenen“ Bibel geworden. Daß ihnen solches am Ende dann doch zum Verhängnis wird, werden die Menschen später wissen, aber nicht deuten können. Das liegt ganz in ihrer Natur!

Als das große Rom endlich in Trümmern lag und sich überall kleinere Reiche aus den von den Germanen eroberten Gebieten formten, schienen die Tage des Fortschritts erst einmal für alle Zeiten vergessen. Doch die Hinterlassenschaft der eindrucksvollsten Kultur aller Zeiten ließ eine unheimliche Hinterlassenschaft zurück: einen schrecklichen Glauben, der dem alten Folterinstrument der Römer, dem Kreuz, alle Ehre machen sollte!

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