Der Asteroid - Page 3

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von Daniel G. Spieker

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hörte ich Sirenen als ich bei unserem Hochhaus hielt. Aus unserer Wohnung holte ich eine große Einkaufstasche und schleppte alles aus meinem Wagen. Oben angekommen räumte ich alles ein, Linda schlief noch.
Ich wollte mich nicht zu ihr legen, also schaltete ich den Fernseher an und setzte mich auf die Couch. Es war nur das Bild von einer Karte. „Staatliches Evakuierungsprogramm. Hunderttausend Euro für die Flucht von der Erde.“ Es wurde der Ort noch konkret erklärt und dann wiederholte sich die Nachricht wieder und wieder. Das erklärte die Autos, die vollgepackt wegfuhren. Das waren auch nicht alles reiche Leute – gab es einige, die einfach ausgewählt wurden? Gab es irgendeine Chance, gerettet zu werden? Ich stolperte ins Schlafzimmer und weckte Linda.
„Wach auf. Komm, wach auf.“
„Was … Was ist los?“, fragte sie verschlafen.
„Wir können überleben – es gibt ein Programm, das ...“
„Das nicht funktionieren wird“, unterbrach sie mich trocken. „Michael, ich hab das auch gesehen, wir haben das Geld nicht und da werden Dutzende, Hunderte hinfahren. Lass uns hierbleiben. Das wird gefährlich werden.“ Jetzt hatte ich Angst.
„Wir sterben hier! Wir könnten es wenigstens versuchen, was sollen wir denn sonst machen?“ Sie drehte sich weg und sagte nichts mehr.
In einem Moment überlegte ich gleichzeitig, ob ich sie schlagen sollte, ob ich alleine fahren sollte oder ob ich sie einfach zwingen sollte mitzukommen. Alle Optionen kreisten in meinem Kopf.
„Ich gehe.“
„Michael, bleib hier“, sagte Linda. Ich sagte nichts. „Bitte“, fügte sie hinzu und es klang verzweifelt.
Ich drehte mich um und ging.

3

Die vermerkte Position lag fast auf der anderen Seite des Landes. Es würde über einen Tag dauern, dorthin zu fahren, selbst wenn ich die Nacht durchfuhr.
Ich hatte nichts mitgenommen, außer einer Flasche Wasser und einer Tüte Chips, aber beides rührte ich nicht an. Ich fuhr einfach – ich wollte hier weg. Alle anderen hatten einen Vorsprung und das Programm war sicher komplett überlaufen. Wann würden sie starten? Hatten sie schon? Wie viele Raketen würde es geben und wohin würden wir reisen? Ein flaues Gefühl hatte sich über die ganze Fahrt in meiner Magengrube breitgemacht – ich hatte schon Höhenangst, wie sollte das dann werden? Aber es war nichts gegen das Gefühl bald tot zu sein.
Ich war sicher nicht der Einzige, der ohne die genannte Summe verschwinden wollte, aber ich hatte einen Vorteil – eine Pistole. Vielleicht gab es auch eine friedliche Lösung – vielleicht wurden einige Leute ausgewählt. Ich war jung, ich war gesund; vielleicht war das genug? Einige Plätze wurden möglicherweise ausgelost. Ich malte mir ein Auffangcamp aus, in dem die Leute warteten und warteten. Die Menschheit würde sich nicht von einem einzelnen Asteroiden aufhalten lassen.
Auf der anderen Seite dachte ich die ganze Zeit über an Linda und auf meinem ganzen Körper breitete sich eine Gänsehaut aus, als mir klar wurde, dass sie bald tot sein würde und ich sie nie wiedersehen würde. Was hätte ich tun sollen? Sie in das Auto zerren und zwingen mitzukommen?
Möglicherweise wäre das besser gewesen.
Der halbe Weg lag mittlerweile hinter mir und auf meiner Seite gab es einige die wohl dasselbe Ziel hatten – auf der gegenüberliegenden Seite reines Nichts. Meinen Tank hatte ich zum Glück kurz vor der Katastrophe vollgemacht – eine funktionierende Tankstelle würde ich wohl nicht mehr finden. Notfalls würde ich den Rest laufen, es war völlig egal – das hier war die einzige Möglichkeit diesen Planeten noch lebend zu verlassen.
Gab es noch andere staatliche Evakuierungsprogramme oder war das das einzige? Wer leitete das an? Elon Musk?
Ich wechselte von der Autobahn auf eine Landstraße, dann wieder auf Autobahnen, Landstraßen. Die Dörfer, die ich passierte, schienen wie ausgestorben. Lebte da noch jemand oder hatten sich die Leute einfach eingeschlossen und warteten auf das Ende?
Schließlich erreichte ich das Ziel meiner Reise und mir war schon einige Zeit davor klargeworden, dass ich verloren hatte. Ich fuhr weiter, obwohl es keinen Sinn machte. Das Gebiet war vollkommen destruiert, Schrottfetzen lagen auf verbrannter Erde. Viele Autos wendeten direkt, nur wenige nahmen sich überhaupt Zeit sich das näher anzusehen. Hier hatte rein gar nichts die Erde verlassen. Die Rakete oder die Raketen oder was auch immer versucht hatte, hier zu starten, war wohl explodiert – anders ließ es sich nicht erklären. Es war, als würde irgendetwas nicht wollen, dass wir gingen, dass wir uns retteten. Ich fuhr bis zu dem ungefähren Punkt, zu dem ich wollte, und spazierte ein wenig in der Gegend herum. Wie viele Leute waren hier gestorben, das Herz voller Hoffnung? Vielleicht war das der beste Tod, den man sich noch erhoffen konnte. Sie mussten wohl schon eine Rakete gestartet haben, bevor ich überhaupt den Spot gesehen hatte. Hatte es überhaupt irgendjemand von hier weg geschafft? Ich schaute in den Himmel und bezweifelte es. Wahrscheinlich war die erste Rakete schon explodiert, aber niemand hatte die Übertragung beendet. Das war vielleicht gerade einmal vierundzwanzig Stunden her. Aber es kam mir vor, als würde ich schon Monate mit der Gewissheit leben, bald tot zu sein.
Ich machte mich auf den Heimweg; seltsam befreit. Es war der 8. September 2020. Noch vier Monate.
4

Mein Wagen fuhr schon seit einigen Stunden auf Reserve, bis er schließlich komplett den Geist aufgab. Mehrmals versuchte ich ihn zu schieben, aber es half alles nichts. Ich aß die Chips, trank das Wasser und dann schlief ich ein paar Stunden mitten auf der Autobahn. Als ich wieder wach wurde, stieg ich aus und lief einfach. Ich musste zurück zu Linda. Sie hatte recht gehabt – und jetzt hatte ich niemanden mehr. Ich machte mir Vorwürfe, dass ich gegangen war. Hoffentlich würde sie das akzeptieren. Es dauerte zwei Tage und zwei Nächte, bis ich in der Ferne wieder die Stadt sah, in der Tasche meine Schlüssel, in der Hand meine Pistole.
Meine Schuhe waren durchgelaufen, meine Füße auch, alles schmerzte, aber ich ging weiter und weiter und weiter und weiter und weiter. Ich hatte nichts mehr zu trinken, nichts mehr zu essen.

Die Sonne blendete mich, als ich die Stadt erreichte. Ich war keine Stunde mehr von meinem Zuhause entfernt. Nur noch ein paar Schritte. Schritt für Schritt für Schritt.
In einem Müllberg, den

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