36. Schritt
Heute versuche ich es einmal mit einer schonungslosen Selbstanklage! Ich beginne mit einem ausgiebigen Blick in den Spiegel und versuche dann zu argumentieren…
Also nein, wenn ich mich bloß ansehe – ich seh` ja so ähnlich aus wie Menschen, die seit ca. 40 000 Jahren in Europa gelebt haben. So geht das doch nicht! Was geht denn in meinem Kopf eigentlich vor?! „Ich denke, also bin ich?!“ Wie weit bin ich denn damit gekommen? Wie weit sind denn die Menschen aus Europa, denen ich wohl sehr ähnlich sehe und die seit ca. 40 000 Jahren hier leben, wo ich lebe, gekommen? Wem soll das nützen? Den Reichen? Die haben doch schon alles! Was die brauchen, das ist jetzt ein ganz neues Proletariat, das keine Fragen stellt. Da sind wir überflüssig! Vor allem ich, der ich vor allem falsch aussehe, bin hier überflüssig!
Und dann dieses Geschwätz von den Philosophen, von den Erbauern des Abendlandes, den Erfindern, den Künstlern…was haben wir davon? Volle Museen, sonst nichts! Überall betreiben die arrivierten „Demokratien“ ihre, von langer Hand geplanten Erneuerungen. Was sollte ich dabei für eine Funktion haben, frage ich mich? Da stehe ich höchstens im Weg herum! Um dem zu genügen müsste ich schon optimistischer sein! Ich glaube nicht an eine Dominanz des Geistes über die Unvernunft, bei gleichzeitiger Unterzahl, der Menschen, die so ähnlich aussehen wie ich aussehe, wie eben diese Leute, die seit ca. 40 000 Jahren hier leben.
Ich habe ganz einfach ausgedient! Ich arbeite keine 16 Stunden pro Tag für einen Ausbeuter, ohne entsprechenden Lohn und ohne genügend Freizeit, die ein Leben lebenswert macht. Auch lege ich nicht all meine Hoffnungen in die Erzeugung von 8 Kindern, damit Meinesgleichen einmal übernehmen kann was jene aufgebaut haben, die seit ca. 40 000 Jahren in einer Gegend siedeln, die nun ausschließlich einer überheblichen Obrigkeit gehören soll. Die Vertreter der Unvernunft lachen mich bereits aus, weil ich im Straßenbild eine Ausnahme darstelle. Eines Tages werden sie dem Bündnis mit unseren Herren abschwören. Dann bin sowieso dran!
Was also rege ich mich denn auf? Ich darf doch sagen was ich will! Überall – wenn es nur dem entspricht was man hören will, was die Erneuerer, in Absprache mit den Unvernünftigen – die mit den 8 Kindern – zulassen. Sonst muss ich dulden, daß ich reglementiert werde. Wofür gibt es die Polizei, den Rechtsstaat, Gesetze? Ehrlich gesagt: ich weiß es auch nicht! Ich weiß nur, daß man „es“ mir ansieht! Jeder, der sich für einen Vorgesetzen hält, oder einer der ein solcher zu werden gedenkt, mit oder ohne Absprache mit den derzeitig noch amtierenden Herren (auch Damen), registriert sofort: mit dem ist nicht viel anzufangen!
Der muckt auf, der fragt nach einer sauberen Umwelt, giftfreiem Essen, menschlichen Rahmenbedingungen, trotz hoher Produktionsleistung, der wählt keine Falschen Fuffziger, der beklagt sich wenn er nicht am Erfolg beteiligt wird. Der ist auch bereit an der Gesundschrumpfung einer Volkswirtschaft teilzunehmen, die einmal nicht auf Kosten der weniger Begüterten geht. Der ist eine Spaßbremse! Weg mit dem! Und wenn das nicht mit den herkömmlichen Unterdrückungsmaßnahmen geht, dann wird er eben ausgetauscht, gegen ein robusteres Model! Ich geb’s ja schon zu: ich bin schlicht und ergreifend zu nichts zu gebrauchen!
Ich bin ja nicht einmal fähig mich in ein höheres Amt zu schleimen. Dafür bin ich nicht devot genug! Das können andere viel besser! Solche, die mit ihrem Vorauseilenden Gehorsam schon einmal beinahe die ganze Welt ruiniert haben. Ich bin nur Manns genug wenigstens das nicht laut hinaus zu posaunen. Aber, selbst wenn ich es posaunte – wer bin ich denn? Habe ich eine Redeerlaubnis zugeteilt bekommen? Daran kann ich mich nicht erinnern! Also schweige ich! Demnächst nehme ich einen 2. Job an, damit ich mir den 1. leisten kann und gucke neidisch auf „erfolgreiche“ Großfamilien, die zu zwölft in Dreizimmerwohnungen hausen, weil sie so eine Zukunft haben. Da kann ich leider nicht mithalten. Dafür sehe ich einfach zu unverschämt aus: so ähnlich wie einer dieser seltsamen Menschen, die seit ca. 40 000 Jahren in der Gegend „Europa“ leben.
So, genug geredet, ich werde mich jetzt verabschieden…auf Nimmerwiedersehen dann! Mit freundlichen Grüßen, Euer uninteressantes Auslaufmodell.