Der Herr sei mit euch. Er sei mit euch. Worte, die mich sehr nachdenklich stimmen.
Der Herr sei mit euch. Ein Wunsch? Wenn ja, würde das nicht heißen, Gott ist gar nicht mit uns? Man wünscht dem anderen ja kaum etwas, das schon da, das schon vorhanden ist.
Natürlich kann man es auch so verstehen, dass man jemanden die Anwesenheit Gottes wünscht, so wie man einen gesunden Menschen Gesundheit wünscht. Im Hinblick darauf, dass er gesund bleiben möge. Doch glauben wir wirklich, dass Gott uns verlässt, wie uns unsere Gesundheit verlassen kann?
Der Herr ist mit euch. Eine Formulierung, die in der Kirche zum Teil bereits verwendet wird, und meiner Meinung nach nicht nur treffender, sondern auch ein Wohlklang für die Seele ist. Er ist mit uns. Wie gut es tut, diesen Zuspruch zu bekommen. In Zeiten der Einsamkeit finde ich ihn besonders wichtig.
Wer hört es denn nicht gerne, dass selbst dann noch jemand da ist, wenn er sich von allen Menschen nicht verstanden und im Stich gelassen fühlt?
Wem tut es nicht gut, die Zusage zu erhalten, dass dieser jemand, in diesem Falle Gott, um unser tiefstes Inneres weiß, uns besser kennt, als eine jede und ein jeder anderer und wir ihm uns mit all dem, was uns beschäftigt, ganz und gar anvertrauen können? Ohne uns davor fürchten zu müssen, dass wir mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen konfrontiert und niedergemacht werden?
Bereits im Alten Testament steht geschrieben: Jetzt wissen wir, dass der Herr mitten unter uns ist (Jos 22,31). Oder wie im Buch Judith: Gott ist mit uns, ja, unser Gott ist mit uns (Jdt 13,11). Ebenso im 2. Buch der Chroniken: Seht, Gott ist mit uns, er steht an unserer Spitze (2Chr 13,12).
Bereits vor der Geburt Jesu haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass Gott nicht der Ferne, sondern unter ihnen gegenwärtig ist.
Der Herr sei mit euch, sei mit uns. Vielmehr ist er mit uns. Dies verheißt uns Jesus selbst im Evangelium nach Matthäus: Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20).
Selbst der Tod konnte Jesus nicht von uns trennen, überall auf der Welt ist er nun als Auferstandener zugegen.
Gott ist mitten unter uns. Neben, unter, über und vor allem in uns. Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? (1Kor 3,16)
Wenn wir einander somit begegnen, begegnen wir Gott.
Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt (Mt 24,42).
Ich kann mir kaum vorstellen, dass damit gemeint ist, wir sollten im physischen Sinne nicht mehr schlafen. Seid wachsam, seid aufmerksam. Nie wisst ihr, wann der Herr kommt. Nie, wann ein Mensch in Not zu euch kommt. Sei es aufgrund materieller, psychischer, physischer oder auch spiritueller Not. Nie, wann jemand eure Hilfe braucht.
Menschliche Beziehungen brauchen Worte und Taten, um nicht kaputt zu gehen. Nicht vorzustellen, was geschehen würde, wenn Menschen einander nicht mehr sagen, dass sie sich gern haben, dass sie sich lieben. Es durch keine Gesten mehr sichtbar werden lassen würden. Im Grunde ist es in der Beziehung mit Gott ähnlich.
Wir können Gott nicht sehen und auch nicht immer fühlen, darum braucht es, dass uns jemand sagt, der Herr ist mit euch. Es braucht das Gebet, in dem wir mit ihm ins Gespräch kommen und dafür reicht es schon, wenn wir einfach nur still sind. Das, was wir ihm mitteilen möchten, kommt dann von alleine. Wir können mit Gott sprechen, so offen, in manchen Dingen vielleicht sogar noch offener als mit einem Freund, wenngleich auch vorgegebene Formulierungen hilfreich sein können.