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Fall, mit der Überreichung des 1 a Members of Dominationes-Club-Ausweises enden. In nahezu der Hälfte der Fälle wurde ein Anwärter zum Kyriotetes, also zum geistigen Sonnenwesen, verließ den Status des Mondmenschen, wurde in den hoch erlauchten Gentlemen´s Club aufgenommen, als Kyriotetes auf Lebenszeit, es sei denn, er würde nachhaltig gegen die Statuten dieser hehren Vereinigung verstoßen.
Welch ein Affront im Jahr 2002, als eine Frau auf Mitgliedschaft im Club klagte. Sie habe ein Recht, so führte sie damals aus, als Selenitin in den Initiierungs-Ritus der Kyriotetes aufgenommen zu werden. Das schlug damals hohe Wellen. Diskussionen und wilde Grabenkämpfe, gewaltige Machtdemonstrationen der „Alten Herren“ gegen die „Neue Riege“, der frisch hinzugekommenen Member, es ging hoch her. Natürlich konnte sich die mutige junge Dame im Jahr 2002 nicht durchsetzen (so weit käme es dann noch...), aber nie zuvor und auch niemals danach hatte es solche Aufregung in den nahezu heiligen, stillen Hallen des Kyriotetes-Club-Zentrums gegeben. Keine (!) Frau ist bislang, nach Gründung des Gentlemen´s Clubs im Jahr 1788, ordentliches Mitglied geworden. Die Herren blieben unter sich. Horatio Marmorstein führte seinen Bericht fort:
„Ein gar wilder Anblick, sage ich Ihnen. Martialisch stampften sie mit den Stelzen auf dem Boden vor der Kathedrale auf. Beeindruckend und Ehrfurcht gebietend. Auf dem Hauptkampfplatz waren gewaltige Matten ausgelegt, wie man sie aus Turnhallen so kennt, darüber hatte man eine Art von engmaschigem Kettenbelag ausgebreitet. Der sollte den Stand erschweren, das Gleichgewicht der Kämpfer beeinträchtigen. Auch ergab der obere Belag gewisse Geräusche, wenn die Recken auftraten. Ein dumpfer und irgendwie gefährlicher Ton, dutzendfach, denn die Kämpfer hatten Jeder gegen Jeden anzutreten. Am Vogelkopf konnte man ablesen, ob der Stelzenfighter nun dem Stamm der Akposso, der Baate oder der Kotokoli angehörte.
Mit wildem Gebrüll ging es dann los. Unfassbar die schnellen Reflexe und das mehr als beeindruckende Stelzenwirbeln. Wenn Sie bitte imaginieren wollen, die Herren - alles, was Sie mit den Beinen ausführen können, also Treten, Hakeln, das Ausfahren oder ein hartes Pressing, können diese Stelzenkämpfer mit ihren Stelzen machen. In unnachahmlicher Art und Weise wirbelten die Fighter auf dem Kettenbelag vor dieser beeindruckenden Kathedrale in Atakpamé herum, unterstützt von einem Dutzend der sicher besten Trommler-Truppe namens Tamatogo. Ekstatisch, eindrucksvoll, richtig hypnotisch, aber auch berührend und einfach wunderschön. Unterstützt durch sicher annähernd 20 Gankogui, dieser Doppelhandglocke ohne Klöppel, kongenial zu all den Trommel-Klängen passend, ergab sich ein Klangteppich, der Zuseher und Kämpfer entfachte, völlig in den Bann zog. Als Takt gebendes Perkussionsinstrument passten Gankogui perfekt zu den Bechertrommeln, Oprente genannt. Das Instrument ist aus nur einem Stück Holz des Tweneboa-Baumes gearbeitet und traditionell mit einem Antilopenfell bespannt. Das Fell wird mittels einer Pflockbespannung aufgespannt und gestimmt.
Die hypnotische Wucht der Oprente-Trommeln, die exakten Schläge der Gankogui, in uns allen kochte das Blut, wir wurden mitgerissen von den Klängen und vor allem den Bildern, die sich uns boten. Die wilden Stelzenkrieger wirbelten herum, zunächst noch eher tanzend als fightend, hernach aber wurde es ernst... Sie versuchten, sich gegenseitig den Halt zu nehmen. Raffinierte Finten wurden ausgeführt, blitzschnelle Ausfallschritte wechselten sich ab mit knappen, kurzen Press-Attacken von der Seite her. Rufe der Zuschauer und der sehr geschickt platzierten Schiedsrichter, ebenfalls auf Stelzen, komplett in Schwarz gekleidet, so unterschieden sie sich sehr gut von all den Kämpfern, die gewisse Regelverstöße laut anprangerten und monierten, sorgten für eine wahrlich einmalige Atmosphäre, hitzig und animalisch.
Kein Kampf hatte mich je so in den Bann gezogen. Diese 12 Kämpfer dort auf dem Kettenbelag tobten wie die Irrwische, traten, stießen, hakelten und pressten wie die Berserker, angestachelt vom Publikum und den treibenden Trommeln, die immer schneller zu werden schienen. Ich brüllte bald genauso laut mit, mich hatte es ja längst gepackt, das Stelzenkampf-Fieber. Bald hatte ich auch meinen ganz persönlichen Favoriten aus diesem Pulk ausgemacht, einen verwegenen Stelzenkrieger der Baate. Der sandte gerade einen der Fon-Kämpfer auf die Matte. Unnachahmlich sein Stil, exzellent die Taktik, sehr elegant die Technik. Ich war tief beeindruckt. Und weil die Schiedsrichter keine Einwände hatten, musste der Fon vom Feld, geschlagen. Bald gab es nur noch 4 Kämpfer. Schwitzend unter der Maske, bereits viele Federn des Anzugs verloren, grotesk aufstampfend, um die restlichen Gegner zu beeindrucken, kam es nun zum Finale. Mein Stelzenmann war noch unter den verbliebenen Vieren.“
Hier nahm Horatio einen weiteren Schluck des exzellenten Cardenal Mendoza Gran Reserva Clásico Brandys zu sich, vergewisserte sich der vollen Aufmerksamkeit all der gewichtigen Herren in der Sonnenhalle, entzündete eine sündhaft teure Zigarre aus Honduras, mit beeindruckender Bauchbinde, und fuhr dann fort:
„Es wurden Wetten abgeschlossen. Übrigens erst jetzt durfte gewettet werden. So die letzten vier vor der Kathedrale „tanzten“, so nannten es die Menschen hier, im wunderschönen Atakpamé. Und ja, eine Art Tanz war das ganze Spektakel auch. Im vielleicht weitesten Sinne ein Kriegstanz, der spielerisch begann und dann sehr hart und gefährlich wurde. Ich war komplett durchgeschwitzt, dankbar nahm ich daher den eiskalten Erdbeer-Slushi an, den mir eine reizende Hostess reichte. Ich wettete auf meinen Baate-Mann und setzte bei einer anderen Hostess 100000 CFA-Franc, das entspricht gut 150 Euro. Die meisten aber setzten lediglich 1000 CFA-Franc, und das ist ja auch kein Wunder. Denken Sie nur, meine Herren, Togo gehört mit einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 400,- $ jährlich zu den ärmsten Ländern unserer Erde (im Vergleich: Deutschland Pro-Kopf-Einkommen ca. 24.000 €). Da sind diese 1,50 € als Wetteinsatz schon nicht unerheblich. Sie hätten da die Blicke der anderen sehen sollen, als ich die 100.000 CFA-Franc aus der Tasche zog. Ich hatte am Flughafen meine Euro-Scheine in Devisen getauscht. Und das erwies sich dann als sehr gut.
Das monumentale Pressing des beeindruckend starken Baate-Kämpfers entschied letztlich den Wettstreit der Stelzenkämpfer! Wie bereits im letzten Jahr konnte mein Baate-Krieger die anderen 3 Fighter auf den Kettenbelag schicken.
Überglücklich, aber vollkommen fertig blieb der Baate-Mann letztlich der einzige Kämpfer, der noch auf seinen Stelzen stand. Er ließ sich, beseelt vom Glück der großartigen Leistung, dankbar, mit dem rhythmischen Klatschen der Zuschauer, unterstützt von all diesen hervorragenden Trommlern, auf die Matten fallen. Dort blieb er minutenlang liegen, ließ sich frenetisch feiern. Schließlich trug man ihn unter Jubelstürmen davon.
Welch ein Spektakel, meine Herren! Welch ein Spektakel!
Die beeindruckende Freundlichkeit und Herzlichkeit der Bevölkerung machen Togo zu einem „Le Togo, le sourire de I´Afrique!“ Sollten Sie nach den Corona-Zeiten Ihren Urlaub zu planen wünschen, die Herren, so empfehle ich Ihnen Togo. Vieles wird Sie überraschen. Werfen Sie Ihre Vorurteile über Bord! Togo ist wirklich eine oder mehrere Reisen wert. Auch mich zieht es bereits in Kürze wieder dorthin. Dies ist einer bezaubernden Dame zu verdanken, mit Namen Aziablé. Ich danke herzlich für Ihr Interesse an meinem Vortrag. Widmen wir uns dem Schmauchen und jenem exzellenten Cardenal Mendoza. Ich empfehle mich in tiefer Verbundenheit zum Club und zu den Gepflogenheiten. Ein Hoch den Kyriotetes!“
Horatio Marmorstein wurde mit frenetischem Jubel und gewaltigem Applaus von den Herren verabschiedet. Es gab sogar stehende Ovationen. Und das hatte dieses Haus schon seit fast 20 Jahren nicht mehr erlebt. Nur einer wusste vom Leben eines sehr traurigen Clowns, zwar reich, aber einsam, Horatio selbst. Alle Reisen: Erfunden. Die Dame Aziablé: Erfunden. Der Stelzenkampf in Togo: Erfunden. Nichts außer diesem wunderbaren Cardenal Mendoza, der Honduras-Zigarre und der Eloquenz waren echt am Globetrotter H. Marmorstein, dessen einziger Auslandsaufenthalt ihn einst gerade mal nach Venlo in den Niederlanden geführt hatte, 1999 war das. Er sprach nicht mal eine Fremdsprache. Gewissenhaft hatte er sich jedesmal vor einem seiner genialen Vorträge lange vorbereitet, die wichtigsten Daten und Fakten auswendig gelernt, und das fiel ihm in seinem nun doch schon höheren Alter immer schwerer (lange würde er solche Referate nicht mehr halten können!), viele Bücher gelesen und jede Menge Filme gesehen zum Thema. Erst dann wagte er, gut vorbereitet, seinen Exkurs zum jeweiligen Thema. Übrigens: Dass es einen Stelzentag in Atakpamé gibt, ist wahr. Im Februar 2005 wurde diese Tradition gestartet. Nur: Horatio war niemals dort. Alles ist erfunden. Ein moderner Baron von Münchhausen. Bislang noch nicht aufgeflogen. Es ist jedoch nur noch eine Frage der Zeit. Das würde dann auch den grausamen und sofortigen Rauswurf aus diesem Club bedeuten. Dessen war sich Horatio bewusst.
Allein das Einprägen des Ausrufes „Le Togo, le sourire de I´Afrique!“ hatten dem Lügner einiges abverlangt: Togo, das Lächeln Afrikas! Er hatte es immer und immer wieder üben müssen.
Nur ein französischer Satz oder Zuruf kann das Ende des gewaltigen Lügengebildes bedeuten, das Ende dieses viel zu schönen Globetrotter-Lügenmärchens. Irgendwie traurig. Der Leser wird sich jetzt fragen, ob es denn diese Kwa- und Gur-Sprachen wirklich gibt, und eine Khoisan-Sprache noch dazu. Wenn schon alles gelogen ist, dann wird auch solch eine Information hinterfragt. Es gilt immerhin als gesichert, dass es in der Ortschaft Atakpamé tatsächlich eine Kathedrale gibt. Ob davor jedes Jahr solch ein spektakulärer Stelzen-Kampf durchgeführt wird, ist uns allerdings unbekannt. Sollte man vielleicht einmal via Internet recherchieren. Ach, es wäre so einfach gewesen, den Lügenbaron zu entlarven. „Zeig uns doch mal ein authentisches Foto, Horatio!“ Das hätte ja schon gereicht zum Untergang...
Kommentare
Da Krause ja 3 Meter misst,
Sie Bio-Stelzen-Kämpfer ist ...
LG Axel
Eine Bildungsreise vom Feinsten !
HG Olaf
Bester Olaf,
vielen Dank. Blumenstrauß erhalten. Ich grüße Dich ganz
herzlich und hoffe, Du feierst trotz alledem ein rundum sehr
schönes Weihnachtsfest. LG zurück, man liest sich wieder.
Gherkin
Hey Garfield, ich habe das Ganze tatsächlich geglaubt, bis ich dann...
Den Schluss gelesen hatte. Ein wenig traurig ist das schon, dass nix
davon stimmt. Aber Du hast es wirklich recht authentisch geschrieben.
Chapeau!
Gruß von Gherkin (Bleib sauber und gesund!)
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