Es ist mir so peinlich, aber ich muss beichten, dass mein Freund Jim ein politisch unkorrekter Gedankenterrorist ist. Als ich ihn vor 9 Monaten bei einer Reportage über die Tafeln kennen lernte, habe ich mich prompt in ihn verliebt. Ein sozial engagierter Besserverdiener mit ökologisch wertvollem Lebensstil, das ist schon eine passende Partie für eine grüne Weltenbummlerin und Journalistendarstellerin mit Vielfliegerbonus. Insgeheim hoffte ich natürlich auch, mein neuer Lebensabschnittsgefährte würde mich auch in dem ewigen Ringen gegen das Böse, CO2 in der Atmosphäre und allgemein der Weltrettung klimaneutral unterstützen. Aber all meine ökologisch bourgeoisen Hoffnungen sind durch sein rassistisches Vernunftgehabe zu Staub zerfallen.
Schier sprachlos machte mich, als er während eines von mir aufgenötigten Fernsehabends die Nachrichten im Staatsfunk als Propaganda bezeichnete – als wenn die qualitativ regierungstreuen Medien lügen würden! Nein, sie berichten immer die offizielle Wahrheit, die eben viele gewinnorientierte Gesichter hat. Außerdem ist es nicht gut für den braven Bürger, wenn er mit politisch unkorrekten Realitäten konfrontiert wird - denn nicht sein kann, was nicht sein darf!
Der nächste Schock ließ nicht lange auf sich warten. Jim bezweifelte die Erbschuld des weißen Mannes! Dabei ist sein Vater doch Afroamerikaner und er gehört damit doch selbst zur modischen Opfergruppe. Dann erwähnte dieser Wolf im Schafspelz noch, dass man nur vom einzelnen Individuum und dessen Taten ausgehen kann und er jede Person, die Menschen nach ihrer Hauptpigmentierung oder Herkunft beurteilt für einen faschistoiden Idioten hält. Außerdem werde der wahre Antirassismus damit von einigen nicht allzu cleveren Opportunisten missbraucht, die mit ihren stupiden Ansichten richtig Kasse machen würden. Das sei ungefähr so, als wenn man die Sklaverei dadurch bekämpfen wollte, dass man die Abkömmlinge ehemaliger Sklavenhalter versklavte.
Oh Gott, dachte ich, ein Verschwörungsmystiker oder gar ein Agent der zionistisch-basisdemokratischen Weltverschwörung. Also sah ich ihn ernst an, so wie ich es im Kurs ‚Wie bekämpfe ich falsche Meinungen‘ für Arme gelernt habe und fragte ihn, ob er ein Nazi sei. Frei von jeglichem Schuldbewusstsein sah er mich verwundert an und lachte dann laut. Das brachte mich richtig zum Ausrasten und ich redete drei Tage nichts mit ihm.
Vor einem Monat hatte ich dann die Schnauze voll! Ich habe den glatzköpfigen Jungs, die ständig abends vor dem Kiosk abhängen, dreißig Euro pro Kopf gezahlt, damit sie ihm abends auflauern und so richtig zusammenschlagen. Die machten das dann aber unentgeltlich, als die erfuhren, dass mein Freund ein Farbiger war. Ich dachte mir zwar, dass die vielleicht irgendwie rechts sein könnten, aber der Zweck heiligt ja Mittel. Leider diente Jim früher bei den Rangers in der US-Armee und schlug die armen Jungs in die Flucht! So ein Pech! Natürlich änderte er seine Ansichten in keiner Weise.
Da denkt man natürlich, schlimmer kann es nicht mehr kommen, aber weit gefehlt! Ich briet gerade mein fettes 100-Euro Steak vom Edel-Öko-Metzger, als die Sprache auf den Fluch unserer Zeit kam, das böse Kohlendioxid. Fassungslos musste ich mir anhören, dass mein sogenannter Freund ernsthaft die Meinung vertrat, dass CO2-Emissionen beim Klimawandel eine untergeordnete Rolle spielen würden und eher Sonnenminima und Maxima da eher von Bedeutung wären, schließlich seien ja auch nur 5% des 4% Anteils an Kohlendioxid in der Atmosphäre menschengemacht; einige Vulkanausbrüche und man könne CO2-Obergrenzen vergessen. Oh Gott, dachte ich, auch noch ein Klimaleugner! Als er mir dann noch irgendetwas von Photosynthese -bin ich etwa eine Physikerin?- und Grundstoff des Lebens erzählte und abschließend meinte, das ganze Chose diene sowieso nur dazu den Leuten so richtig abzuzocken und ihnen Freiheitsrechte zu rauben, lief ich weinend hinaus.
Warum kann er denn nur kein normaler Mann sein, der mit der Herde blökt? Womit hat eine solch stromlinienförmige 08-15 Frau wie ich nur ein solches Martyrium verdient. Wie gerne würde ich mich mit einem farbigen Anhängsel schmücken, aber so kann ich diese Beziehung nicht fortsetzen.,
Mein Freund ist ein Monster
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Interne Verweise
- Autorin/Autor: Qayid Aljaysh Juyub
- Prosa von Qayid Aljaysh Juyub
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa
Kommentare
Sonst tarnen Monster sich - im Haus:
Als Putzfrau! Trinken BIER! nur aus ...
LG Axel
höchst erfrischend!!
LG Alf