Es war ziemlich genau vor zwei Jahren, als ich todmüde von einer langen Tagung nach Haus fuhr. Ich hatte lange nichts mehr gegessen und getrunken und wollte so schnell wie möglich heim, meinen Bedürfnissen frönen und zu Bett gehen.
600 Kilometer hatte ich bereits geschafft und das letzte Drittel würde ich auch noch bewältigen, hoffte ich.
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und ich hatte das Gefühl, ein Wolf säße in meinem Magen und verlangte nach Unmengen Nahrung.
Mein Firmenwagen war zur Inspektion, daher hatte ich einen Mietwagen mit defektem Navi. Ich kannte diese Strecke eigentlich, da ich sie öfter fuhr, doch heute war alles sonderbar.
In der Dunkelheit war es mir, als würde ich überhaupt nicht vorankommen, obwohl ich fast Vollgas fuhr. Mir kam es vor, als wenn ich einen Streckenabschnitt wieder und wieder passierte.
Der Mond hing über einem riesigen Baum fest, an dem ich scheinbar schon ein paar Mal vorbeigefahren war. Langsam wurde es mir wirklich unheimlich, zumal auch der Tankanzeiger in Richtung Null sackte. Mein Hunger wurde unerträglich und stahl mir den letzten Rest Konzentration. Der Mond über dem Baum grinste mich höhnisch an. Laut Tachometer hätte ich schon längst zu Hause sein sollen, aber diese Gegend war mir fremd, ich befand mich irgendwo im Nirgendwo.
Als der Tank leer war, ließ ich den Wagen ausrollen und steckte mir erst einmal eine Zigarette an, bevor ich den Reservekanister aus dem Kofferraum holen wollte. Was zum Henker war hier los? Ich hatte das Gefühl, den Verstand zu verlieren.
Ich stieg aus dem Wagen und hatte ein ganz seltsames Gefühl. Meine Härchen richteten sich auf. Es war schwül, völlig lautlos und sehr, sehr unheimlich. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mich so gefürchtet.
Als ich den Kanister in den Tank kippte, sah ich ein sich von fern näherndes Scheinwerferpaar.
Ein paar hundert Meter von mir entfernt verstummte der Motor und der Wagen rollte auf mich zu.
Hinter mir kam er zum Stehen, ich konnte nicht erkennen, wer oder was es war. Dann erloschen die Scheinwerfer.
Ich sah, wie sich der Fahrer eine Zigarette anzündete und im Fahrzeug verharrte. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erstarrte ich vollends.
Nein, das konnte doch nicht sein, wer spielte hier sein Spiel mit mir? Wollte man mich zum Narren halten, nur weil ich mein wissenschaftliches Genre vertrat?
Der Fahrer stieg aus, sah sich ängstlich um, ging zum Kofferraum und holte einen Kanister, den er in den Tank des Autos leerte. Er schien mich nicht zu bemerken. Ich näherte mich ihm vorsichtig, bis ich direkt vor ihm stand, er sah mich nicht.
Und jetzt gab es für mich keinen Zweifel mehr, dieser Fahrer war ich selbst. Aber irgendetwas war anders als bei mir. Was konnte das sein?
Da fiel es mir auf. Alles war seitenverkehrt, sowohl an ihm, als auch am Fahrzeug. Jedes kleine Detail war vorhanden, aber an genau der gegenüberliegenden Seite.
Er warf den Kanister in den Kofferraum, startete den Motor und fuhr davon.
Ich hatte alles vergessen, den Hunger, die Müdigkeit, und war voll da. Soeben hatte ich am eigenen Leib erfahren, dass sich zwei nebeneinander existierende Universen kurzzeitig in einer gemeinsamen Amplitude vermischt hatten. Dass ausgerechnet ich das erlebte, als Verfechter von Multiversen, der auch gerade als Physikdozent von einer solchen Tagung nach Hause fuhr, wird mir keiner abnehmen.
Ich warf den Kanister in den Kofferraum, startete den Motor und ließ den Mond hinter mir.
Ich habe niemandem davon erzählt, bis heute nicht ...
Kommentare
Frau Krause sieht stets doppelt hier -
Ich glaube, bei ihr liegt's am Bier ...
LG Axel