Das Tor ist vor uns
Es scheint verschlossen
So lange wir erwarten
so lange werden wir abgewiesen
Besser wir gehen davon
und lassen die Hoffnung fahren
Da tat es sich auf
und ließ das Schweigen hindurch
Unermesslich der Raum
die Weite, der Frieden
Wir kehren zurück
und segnen, was ist
2016 - In Anlehnung an die 'Pforte' von Simone Weil und die Parabel 'Vor dem Gesetz' von Franz Kafka
Kommentare
Ein Gedicht wie ein zunächst verschlossenes Tor - so etwas liebe ich!
Eigene Erfahrungen werden berührt, etwa an die Zeit, als ich wild meditierte, um erleuchtet zu werden - und nichts erreichte.
Hier weist ein spiritueller Meister aus eigener Erfahrung einen Weg ins Weite - und, was besonders kostbar ist, wieder zurück in den Alltag.
"... und segnen, was ist" - auch dieses Gedicht und sein Autor seien gesegnet. Jolanthe
Es sind in erster Linie wohl spirituelle Erfahrungen, die solche Bilder hervorbringen, aber man kann sie problemlos auch auf andere Hoffnungen übertragen, die man hegt. Wenn wir in unserem Leben ein verschlossenes Tor finden, hat man mehrere Möglichkeiten: man kann anklopfen, auch mehrmals (Lk 11/5ff), man kann warten (Ps 37/7), man kann versuchen, die Tür einzurennen oder aufzubrechen (Mt 24/43f), man kann auch weggehen (Mt 10/14). Es kann letztlich manchmal sogar gut sein, dass sie verschlossen bleibt, weil wir in diesem Raum nichts zu suchen haben. Z.B. im Herzensraum eines Menschen, den man mag oder begehrt.
Die Ehre gebührt eigentlich Simone Weil (s. http://www.literatpro.de/gedicht/290416/die-pforte), deren Erfahrung ich hier etwas aus der eigenen Biographie nachgezeichnet habe. Trotzdem vielen Dank! Jürgen Wagner