Auf der Suche nach

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von Marie Mehrfeld

… Freude.
Der verloren gegangenen unbändigen Freude der Kindheit. Der Freude an Worten. Menschen. Farben. Klängen. Bewegung. Berührungen. In seltenen glücklichen Lebensmomenten taucht sie wieder auf, diese unverstellte ursprüngliche Freude. Beim Musikhören oder Malen. Beim Reden mit lieben Menschen. Beim Wandern oder Singen. Beim Schreiben auch. Beim zarten Streicheln. Man kann sie wieder finden, wenn man es wirklich möchte.

… Sinn.
Besonders, wenn die Tage kürzer und die Schatten länger, die Gedanken trauriger werden. Die Einsamkeit spürbarer wird. Wenn körperliche oder seelische Schmerzen Grenzen aufzeigen. Wenn man sich fragt, mit welchen Inhalten das eigene Leben gefüllt war.Welchen Sinn es hat, dass man da sitzt und grübelt - und auf der Suche ist.

… Worten.
Den richtigen Worten. Die man finden muss, wenn man sich wieder einmal für vorschnelles Sagen zu entschuldigen hat. Wenn man seinem Gegenüber unangenehme Wahrheiten verkünden möchte. Wenn man sich bedanken, wenn man seine Liebe erklären will. Wenn man eine Stimmung, ein Gefühl ausdrücken möchte, und es gelingt nicht auf Anhieb, weil man grade einfallslos ist. Wenn man sich dermaßen über etwas aufregt, dass man nicht die richtigen Worte findet.

… Hoffnung.
Damit man wieder findet, was verloren ging. Einen kleinen Stein, der mit guten Erinnerungen verbunden ist. Einen aus den Augen verlorenen Menschen. Eine uralte Freundschaft. Eine sinnstiftende Perspektive des eigenen Lebens. Man ist auf der Suche nach Hoffnung auf Frieden und Einsicht, wenn man in den Nachrichten von einem erneuten Anschlag hört, der auf ideologischen Fanatismus zurück zu führen ist.

… Zeit.
Die knapp wird, weil man wieder einmal zu viele Dinge auf einmal erledigen will. Wenn man sich fragt, wo die vielen Sekunden, Minuten, Stunden, Wochen, Monate, Jahre des vergangenen Lebens geblieben sind. Wenn einem eine halbe Stunde Wartezeit an der Bushaltestelle unendlich lang vorkommt. Während dreißig Minuten in einem anregenden Gespräch mit dem Freund im Nu vergangen sind. Wenn einem bewusst wird, wie viel Zeit man für Unwichtiges verplempert hat, die man besser für zugewandte Gespräche mit nahe stehenden Menschen verwendet hätte. Auf der Suche nach Lebenszeit, die man sehr bewusst nutzen möchte.

… Wärme.
Besonders dann, wenn ein kalter dunkler Tag vergangen ist. Wenn man friert, weil man Zufallszeuge eines Streits zwischen zwei Menschen wurde, die sich mit kalten Worten gegenseitig verletzten. Wenn man sich von aller Welt verlassen fühlt. Dann sollte man sich warm anziehen. Dicht vor ein Kaminfeuer setzen. Sich mit einer Wärmflasche in’s Bett begeben. Am besten aber Leib und Seele durch eine innige Umarmung wärmen lassen.

… sich selbst.
Es heißt nicht nur, liebe deinen Nächsten. Sondern auch - wie dich selbst. Wenn man versucht, zu erkennen, wer man ist, woher man kommt, wohin man will, dann ist das kein Zeichen von grenzenlosem Narzissmus. Nur, wenn man weiß, wer man ist, wenn man sich selbst kennen und schätzen gelernt hat, kann man liebe- und verständnisvoll auf andere Menschen zugehen. Erst dann ist man stark genug, um etwas von sich abgeben zu können.

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