Melancholia oder: Das alte Lied vom Müller, der das Wandern liebt

Bild für die Seite von Marie Mehrfeld
von Marie Mehrfeld

Tief schwarz bewölkt ist die Oktobernacht, geleert das Glas mit rotem Wein; ich spüre die Vergangenheit der langsam fließenden, der hellen Zeit, die jetzt verdunkelt ist und schneller flieht; ich denk an dich mit Innigkeit;

will bei dir sein; zwei Käuzchen halten draußen Wacht mit dunkelgrünem Blick, sie rufen laut ihr Trauerlied ins Grau der Nacht und prophezeien Tod, kein Glück, das muss so sein; bei ihrem Rufen spür’ ich sacht die Wirkung ihrer Botschaft,

ihre Macht; ich sinke in die Dämmerung zurück und fühle gar nichts mehr; allein bin ich und leer; grundlose Reue sitzt mir im Genick; von Schmerz bin ich geplagt, ich fürchte mich, geh’ auf die Jagd, an einen dunklen Ort,

an den sich niemand mir zu folgen wagt; wo messerscharfe Klippen drohn, wo keine Blumen blühn, wo keiner sagt ein Wort, wo Liebe scheint für immer untersagt, wo die Gedanken schnell verroh’n, wo meine Seele klagt;

doch trotz des düstren Schlunds, der mich zu schlucken droht, ist da Lebendigkeit in mir; ich möchte mutig sein, verbannen tiefe Traurigkeit, ich sehne mich nach Glück und Seligkeit und möchte mit dir schweben im matten Wolkenschleier,

der den bleichen Mond umspielt, im zarten Nebelmeer; ich wünsch’s mir’ sehr; mein Herz, das klopft; ich wache auf und bin erstaunt, dass es den Wandel gibt; ich fühle nach und singe froh das alte Lied vom Müller, der das Wandern liebt.

Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: 
Noch mehr Gedichte der Persönlichkeit → Marie Mehrfeld