Mit uns die Sintflut ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Einmal war ich der welke Mond im Morgengrau ...
Vor Schmerz zur Sichel gekrümmt; denn ich sah
Dich stolpern aus ihrem Haus und dass du völlig von
Sinnen warst.

Und einmal, mein Lieb, war ich die Angelwunde im
Zappelnden Fisch, den du noch am Hafen verschlungen
Hast, fangfrisch serviert. Seither ist mein Blut stiller
Noch als der Nachlass eines Kindes.

Einmal war ich die höchste Palme in Jericho und sehnte
Mich nach deinen tränenlosen Stränden, und einmal, mein
Lieb, war ich ein winziger Regentropfen, der trocknen wollt
Auf deiner Haut.

Einmal war ich ganz in deiner Näh: Dein heller Atem
Streifte meine Wange und mein Aug erfand die
Geheimsprache des Glücks. Und einmal, mein Lieb,
War ich das Rote Meer, darin du dich mit Haut und Haar
Verloren hast.

Morgen will ich dein Frühling sein und dir Kirschblüten
Mit hellrosa Lippen über alle Wege hauchen, die Sonnenmilch
Auf deiner Haut will ich sein und im Herbst des Ahorns erstes Blatt,
Das dir zu Füßen fällt. Im Winter zieh ich dich übers Eis:
Jener „Schwan, kleb an", von dem du nimmermehr loskommst.

Und einmal, mein Lieb, war ich gar die Taube mit dem
Frischen Olivenzweig im Schnabel, auf deren Rückkehr du
So sehnsuchtsvoll gewartet hast.

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