Entfremdete Engel

Bild zeigt Anouk Ferez
von Anouk Ferez

Ich vagabundierte durch Felder und Haine,
die Messe am Domplatz erstarb im Tumult
städtischer Unrast, mich führten die Beine
zur Krypta im Bergfels – mich trieb alte Schuld.

Entfremdete Engel, erlahmte Gebete,
ich sing nun den letzten, den schwersten Choral.
Der Teufel frisst Kerzen, er sagt: „Ich vertrete
den Herrn mit Oblaten und Wein für das Mahl.

Entfremdete Engel, zerschmetterte Flügel,
die Nacht wog so schwer und sie fiel klaftertief.
Mich legte der Drang nach Erkenntnis in Zügel,
wenn nicht – welche Stimme war’s dann, die mich rief?

Ich aß von dem Apfel, den Naga mir zeigte
und lupfte den Vorhang ein Stück weit vom Blick.
Dies war wohl der Punkt, wo der Wahn sich mir neigte
— kein Gott und kein Götze nimmt dies je zurück.

Verlorene Engel, versteinerte Blüten,
in Eden faucht Kälte, der Winter spuckt Eis.
Einst tauchte ich blau ein in tausende Mythen,
nun wohnt hier Theorem und tötet sie leis.

Verluderte Unschuld, veruntreute Geister,
ich kranke fortan an dem Kern dieser Welt:
So lange ich suchte war ich noch ein Weiser
— nun bin ich ein Engel, der bodenlos fällt…

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