Der alte Baum war lang schon morsch,
dann starb sein letzter Ast.
Doch Jahre noch er trotzig stand,
auch rindenlos ich schön ihn fand
und habe ihn, so oft ich kam,
gestreichelt und umarmt.
Beim letzten Mal, er lächelte,
ein kühler Wind frisch fächelte
und gab ihm einen Stoß.
Der alte Baum sich fallen ließ,
er fiel auf weiches, grünes Moos.
Auf diesem Bett liegt jetzt ein Freund -
ein Baum, er liegt, ist tot.
© Willi Grigor, 2017
Landleben in Liverud
Kommentare
Mehr als nur Bretter-Lieferant -
Er scheint sogar mit uns verwandt ...
LG Axel
Was ist der Baum, wenn nicht der König
der Pflanzen in der Natur.
Nur er von allen, das sind nicht wenig,
trägt vom König die Statur.
Die aus Geäst geflocht'ne Krone
trägt er würdig, königgleich.
Er IST der König, ganz zweifelsohne,
in dem großen Pflanzenreich.
LG
Willi
Was wär der Wald - ganz ohne Baum ...
nicht mehr als nur ein leerer Traum.
Danke, lieber Willi, für dieses wunderschöne
Baumgedicht, zu Recht eine Huldigung
an einen dieser stolzen Recken.
Herzlich Grüße zu Dir und Gulan nach Schweden,
Annelie
Ich mag sie nicht, gefüllte Räume,
wo alle stehen dicht gedrängt -
Im stillen Wald das Volk der Bäume
mich umzingelt, doch nicht beengt.
Viele Grüße von uns zu Dir,
Willi
Wunderbare Würdigung eines Baumlebens, lieber Willi; tröstlch ist doch, dass sich in dem gefallenen Riesen alsbald unzählige neue Lebewesen einnisten werden, die von seinem Tod profitieren, so setzt sich alles fort und fort und fort ...
liebe Grüße zu Dir - Marie
Danke für Deinen klugen Kommentar, Marie.
Leben und Tod sind Brüder.
Mein lieber Freund war an die hundert,
seinem Ende doch schon nah.
Deshalb war ich nicht verwundert,
als ich ihn am Boden sah.
Sein Tod schlug eine große Lücke
in des Waldes Baumgeäst,
die Licht - dem Samenkorn zum Glücke -
hinunter bis zum Boden lässt.
Das helle, warme Sonnenlicht
weckt frisches, junges Leben auf.
Wenn ein alter Baum zerbricht,
beginnt ein neuer seinen Lauf.
Herzliche Grüße
Willi
Lieber Willi, ich sehe nicht nur, wie du den Baum umarmst, ich fühle auch, wie du ihn liebst. Ich kann dich gut verstehen, wer weiß, wie lange mein Freund noch aufrecht steht …
Liebe Grüße zu dir nach Schweden
Soléa
Danke für Deinen Kommentar, Soléa. Schön, dass Du auch einen Baumfreund hast.
Es gibt (für mich) kaum etwas Entspannenderes, als zwischen schweigenden Baumrecken eines alten Waldes zu gehen und den dazugehörigen Lauten zu lauschen. Diese Wälder werden aber immer weniger. Ein "Normalwald" in unseren Breiten ist nunmehr eine Produktionsmaschine, so wie Schweine und Rinder und Hühner und, Erdbeeren und ...
Ich trauere nicht um einen alten Baum, der stirbt. Er hat ein gutes Leben gehabt und gibt Platz für viele neue.
Herzliche Grüße
Willi