Geschenkter Tag

Bild für die Seite von Marie Mehrfeld
von Marie Mehrfeld

Den Vormittag hast du verpennt. Erst als kiebige Sonnenstrahlen deine Nase kitzeln, raffst du dich nach dreimaligem Niesen auf, duschst eiskalt und schmeißt dich in Jeans und T-Shirt. Das Blinken deines Taschentelefons ignorierend packst du ungefrühstückt leise summend einen Marmorkuchen und eine Flasche Wein in den Rucksack und begibst dich vergnügt auf kleine Wanderschaft. Dein Ziel ist ein Park in der Mitte der Stadt. Mal sehen, was und wer dir dort begegnet. Nacktfüßig und träge dösend genießt du dort auf sattgrüner Wiese den heißen Nachmittag im Halbschatten einer Hainbuchenhecke. Vielstimmiges Vogelgezwitscher mischt sich mit Hundegebell, Kindergebrabbel, Rapmusik und dem internationalen Geschnatter und Gelächter feiernder Menschengruppen zu einem verwaschenen Frühsommerkonzert. Grilldüfte schweben über der Feieridylle. Die Hände hinter dem Kopf gefaltet, ein Knie über das andere gelegt, liegst du still da, lässt deine Zehen tanzen und blickst entspannt in den wolkenlosen Himmel. Gut fühlst du dich und unendlich weit entfernt von deinem Büroalltag. Du schnupperst, lauschst und genießt. Dann holst du Kuchen und Wein aus dem Rucksack und schleichst damit zur griechischen Großfamilie, die fröhlich neben dir picknickt. Guten Tag, sagst du, καλημέρα; probieren Sie mal, selbst gebacken. Ein Schälchen Tzatziki bekommst du dafür zurück. Danke, ευχαριστώ. Mit deinem Pfälzer Wein und ihrem Moschato stoßt ihr an auf die Liebe und ein langes Leben, εβίβα, prosit. Mehrsprachig und mithilfe von Händen und Füßen geratet ihr in lebhafte Gespräche und vergesst die Zeit. Erst die einsetzende Dämmerung treibt euch zum Aufbruch. Herzlich und lautstark lachend verabschiedet ihr euch voneinander. Auf Wiedersehen, αντίο. Du schlenderst entspannt und ein wenig beschwipst nach Hause. Dieser Sonntag - er war ein Geschenk.

Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: